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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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um Kundschaft werben, Anwälte und Mandanten auf dem Weg zum Gerichtshof, Frauen und Kinder, die für ihre Getreideration Schlange stehen. Die zukünftige Stadt ist eine Silhouette am Horizont; ihre Geräuschkulisse aus unablässigem Hämmern und Schlagen klingt wie ein Kriegsheer, das über den Hügel vorrückt.
    Es ist noch früh, aber der Andrang der Kirchenbesucher so groß, dass nicht alle in dem Gotteshaus Platz finden und viele auf dem Vorplatz warten müssen. Die hohen Tore sind offen. Im Kirchenschiff steht auf einer marmornen Kanzel eine Gestalt in goldenem Gewand. Ich will nicht eintreten, dränge mich aber so weit vor, dass ich hören kann, was der Bischof sagt. Die Sonne strahlt durch ein verglastes rundes Fenster, taucht ihn in gelbes Licht und brennt ihm gleichsam das Monogramm XP auf die Stirn. Hinter ihm schirmt eine Schmuckwand den Altarraum ab. Die Christen geben allen einen Vorgeschmack auf ihre Mysterien, aber nur Eingeweihte dürfen sie sehen.
    Eusebius spricht von Gott Christus. Ich versuche zu verstehen: was seine Natur und seine Substanz ausmacht, was der Unterschied zwischen ewig und unendlich ist. «Christus ist der Kopf der Kirche und der Erretter ihres Leibes, so wie der Gatte der Kopf ist seines Weibes. Es muss also ihn, den Gott, empören, wenn unserer Kirche hier in Konstantinopel der Kopf fehlt. Ich bedränge euch, Brüder und Schwestern, diesem Mangel schnell und wirksam Abhilfe zu schaffen.»
    Ich werfe einen Blick auf Simeon, der aufmerksam zuhört. «Wovon redet er?»
    «Du weißt doch, dass der Patriarch von Konstantinopel vor drei Monaten gestorben ist.»
    Natürlich weiß ich das. «Hat sein Tod Verdacht erregt?»
    «Er war ein alter Mann und hat es schwergehabt im Leben. Sein Tod kam nicht überraschend. Eusebius bietet sich als sein Nachfolger an.»
    «Ist es das, worüber Eusebius gestern mit Alexander in der Bibliothek sprechen wollte?»
    «Gesagt hatte er es nicht.»
    «War auch Alexander ein Kandidat? Ein Rivale?»
    «Dafür hielt er sich für zu alt.»
    Aber irgendwie klingt Simeon ausweichend. Ich starre ihn an. «Wir reden über den Mord an deinem Herrn», erinnere ich ihn. Und du bist der erste Tatverdächtige.
    «Alexander war gegen Eusebius’ Wahl.»
    «Also hat jetzt, da er tot ist, Eusebius freie Bahn an die Spitze der Kirche.»
    Der Bischof hat seine Ansprache beendet. Diejenigen seiner Zuhörer, denen es gestattet ist, gehen in den Altarraum, um die Opfergabe entgegenzunehmen. Die Menge löst sich auf. Ich bleibe noch für eine Weile und starre in den dunklen Kirchenraum wie ein Hund auf eine Küchentür. Die meisten Gemeindeglieder sind junge Männer, die sich an ihrem eigenen Eifer ergötzen. Mein Blick fällt auf einen alten Mann mit zerzausten Haaren und spitzem Kinn. Er kauert auf den Stufen der Kolonnade und schaut, den Kopf in die von Ärmeln verdeckten Hände gestützt, aus hungrigen Augen sinnend vor sich hin.
    Er macht mich neugierig. Ich deute auf ihn und frage Simeon: «Weißt du, wer das ist?»
    Simeon folgt meinem Fingerzeig und sieht mich dann verwundert an. Er kann offenbar nicht glauben, dass ich so unwissend bin.
    «Asterius, der Sophist.»
    Als er meiner Miene ansieht, dass mir der Name etwas sagt, nickt er zufrieden, als sei sein Weltbild wiederhergestellt. Aber er denkt etwas anderes, wie mir scheint.
    «Symmachus sagt, Asterius sei gestern in der Bibliothek gewesen.» Er steht auf meiner Liste.
    «Ich habe ihn dort nicht gesehen.»
    «Symmachus sagt, Asterius sei ein Christ. Warum geht er nicht in die Kirche?»
    Simeons Gesicht nimmt einen feierlichen Ausdruck an. «Während der Christenverfolgung wurde Asterius gefangen genommen. Man stellte ihn vor die Wahl: Er sollte entweder die Kirche verraten oder als Märtyrer sterben.»
    «Er lebt.»
    Simeon spuckt in den Staub. «In der Zisterne unter seinem Haus hielt sich ein Dutzend Christen mit ihren Familien versteckt. Er verriet sie an Kaiser Diokletian, der sie alle kreuzigen ließ. Darum nennen sie ihn den Sophisten – er sagt, er glaube alles. Also hat man ihm verboten, je wieder einen Fuß in die Kirche zu setzen.»
    «Aber trotzdem kommt er hierher.» Ich schaue dem Alten ins Gesicht. Seine Augen sind zu Schlitzen zusammengepresst, die Lippen stehen auseinander. Sein Körper ist angespannt, voller Sehnsucht, wie mir scheint, fast ekstatisch.
    «Weißt du, ob er Symmachus schon kannte, als die Christen verfolgt wurden? Oder Alexander?»
    «Frag ihn. Ich war zu der Zeit noch nicht auf

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