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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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zu wünschen übrig. Das Abholzen der Wälder ist ein großes Problem.»
    «Und er glaubt jetzt, wir wären deswegen hier?»
    Der Mann sprach immer noch in sein Handy.
    «Wer weiß? Ich würde auch gern wissen, mit wem er da spricht. Die Uniformen sind jedenfalls von der serbischen Polizei.»
    «Darf die denn –?»
    «Geben Sie mir bitte noch mal Feuer?»
    Jessops Hand zitterte so sehr, dass er das Feuerzeug nicht anbekam. Abby nahm es ihm ab und zündete ihre letzte Zigarette an.
    «Wir sind auf dem Balkan», sagte sie, den Mund voller Rauch. «Uniformen haben nichts zu bedeuten. In den Neunzigern schickte Milosević serbische Truppen über die Grenze nach Bosnien, gab ihnen neue Abzeichen, und plötzlich waren sie die bosnische Armee.» Sie trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. «Sind Sie eigentlich Fachmann auf irgendeinem Gebiet?»
    «Ich bin Generalist.»
    Der Wachposten hatte sein Gespräch beendet und steckte das Handy weg. Es blitzte auf wie ein Messer, als das Licht der Scheinwerfer darauftraf. Das Maschinengewehr über die Schulter geschlungen, kam er langsam auf sie zu.
    «Alles in Ordnung?», fragte Abby und streckte die Hand aus, um ihren Pass entgegenzunehmen.
    Danach wusste sie kaum, wie ihr geschah. Er ließ den Pass fallen, packte sie beim Handgelenk, öffnete die Tür und riss sie nach draußen. Sie landete vor seinen Füßen im Dreck.
    Eine raue Hand zerrte sie am Kragen wieder auf die Beine und stieß sie vor den Wagen. Auf der anderen Seite wurde Jessop von dem anderen Polizisten mit vorgehaltener Maschinenpistole nach draußen komplimentiert. Abby spürte, wie ihr die Hände auf dem Rücken mit einem Kabelbinder gefesselt wurden. Sie leistete keinerlei Widerstand.
    Beim Pick-up wurde sie auf die Pritsche gehievt. Jessop folgte. Einer der Männer stieg zu ihnen, der andere sprang hinters Steuer. Mit einem Ruck setzte sich der Wagen in Bewegung. Abby rutschte über den feuchten Blechboden und prallte gegen die Heckklappe. Der Wachposten hielt sich an einem Gurt fest und zielte mit seiner AK-47 auf sie. Der Truck holperte über den Feldweg und schüttelte Abby durch, die sich wegen der gefesselten Hände kaum schützen konnte. Die Schulterwunde schmerzte wie verrückt. Sie lag auf dem Bauch, schmeckte Blut, Regen und Blech auf der Zunge und wartete darauf, erlöst zu werden.
    Der Regen nahm zu, die Luft wurde dünner. Sie wälzte sich auf die Seite und blickte in den freien Himmel empor. Zu beiden Seiten waren bewaldete Bergflanken zu sehen. Offenbar hatten sie ein Hochtal erreicht.
    An Jessop gerichtet, fragte sie: «Wohin fahren wir?»
    «Nach Serbien. Es kann nicht mehr weit sein. Sobald wir die Grenze überquert haben, werden sie – Scheiße! »
    Mit einem lauten Schlag war der Truck plötzlich stehen geblieben, so unerwartet, dass auch der Polizist den Halt verlor und mit dem Kopf gegen das Fahrerhaus prallte. Er schob die hintere Kabinenscheibe auf und brüllte dem Fahrer etwas zu. Was der sagte, ging im Motorengeheul unter. Der Truck bewegte sich nicht.
    Und dann verreckte der Motor. Abby hörte jetzt den Regen auf die Pritsche prasseln und den Wind in den Bäumen. Der Polizist sprang vom Wagen und eilte zur Fahrertür. Dem Wortwechsel entnahm Abby, dass irgendetwas kaputtgegangen war, aber sie verstand nicht, was.
    Auf der Seite liegend, zog sie die Beine an und schmiegte sich an Jessop, um es ein wenig wärmer zu haben. Ihr war in den durchnässten Kleidern bitterkalt.
    «Keine Sorge», flüsterte Jessop ihr ins Ohr. «Ich habe die Kavallerie alarmiert.»
    Er wollte ihr Hoffnung machen, doch die konnte sie nicht mehr aufbringen. Sie lag auf der Pritsche und wartete darauf, vom Regen aufgelöst zu werden.

    Abby hatte offenbar die Augen geschlossen gehabt, denn als sie sie wieder öffnete, kauerte der Polizist über ihr und schüttelte sie wach. Ihr Schädel dröhnte; sie zitterte so sehr am ganzen Leib, dass sie glaubte, er könnte zerspringen.
    Durch den Schmerz und die Geräusche in ihrem Kopf hindurch realisierte sie, dass er Serbisch sprach.
    «Aufstehen. Er ist gleich hier.»
    Er hievte sie auf die Beine und beförderte sie vom Rand der Pritsche auf den Boden. Jessop war schon abgestiegen. Sie befanden sich auf einer offenen Weide, umgeben von Bergen und Wäldern, an einem einsamen, entlegenen Ort. Der Pick-up war am Ende des Feldwegs liegengeblieben, auf dem sie das Tal durchquert hatten. Eine andere Piste führte in östlicher Richtung durch den Wald. Darauf kamen zwei schwarze

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