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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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Tod zu begleiten, und meinte, er sei schließlich kein Mörder. Doch ich habe ihn überzeugen können, mich so nah wie möglich heranzuführen.«
    Avi verstand sofort. Sandkorn um Sandkorn verstrich Iphigenias Leben. Er erinnerte sich an Fugits Worte bei ihrem Abschied von Westminster. Wenn du dein Kindermädchen wiedersiehst  …
    »Er hat mich gebeten, dir auszurichten, es täte ihm leid, und er habe die ganze Zeit recht gehabt. Womit hat er denn recht gehabt?«
    Iphigenia kicherte und klang kurz wie die junge Frau, die sie geopfert hatte. »Er meinte, nichts sei für die Ewigkeit und die Zeit bringe Hoffnung. Und schau, es stimmt wirklich! Du bist da.«
    Plötzlich von Zorn ergriffen, sprang Avi auf, nahm die Sanduhr und drehte sie um.
    »So!«, verkündete er. »Ich erlaube es nicht, dass du dein Leben für mich wegwirfst.«
    Iphigenia berührte seine Wange. »Es war ein schönes Leben, Avi. Aber die Zeiten kommen und gehen, und nun ist es vorbei. Ich bin nur froh, dass ich dich vor dem Ende noch einmal gesehen habe.«
    Zu Avis Entsetzen hatte das Umdrehen der Sanduhr nichts bewirkt. Offenbar unterlag der Sand nicht den Gesetzen der Schwerkraft, denn er rieselte nun aufwärts. Avi schüttelte die Sanduhr, so fest er konnte, und wendete sie hin und her. Vergeblich.
    Iphigenia ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken.
    »Du bist zu deiner Mutter zurückgekehrt«, sagte sie. »Und du hast mich besucht. Erzähl … was ist mit deinem Vater?«
    »Meinem Vater?«
    »Ja, Oren. Hast du ihn getroffen? Habt ihr euch versöhnt?«
    Vater … Oren … Iphigenia kennt meinen Vater?
    Avi warf Hannah einen hilfesuchenden Blick zu. Wie konnte er sich bei Iphigenia nach seinem Vater erkundigen, ohne preiszugeben, dass er sein Gedächtnis verloren hatte? Und wie sollte er ihr verheimlichen, dass er sich kaum noch an sie erinnerte? Er hätte es nicht ertragen, sie traurig zu machen, denn schließlich würde sie bald …
    … sterben.
    »Avi hat sich im Reich der Sterblichen den Kopf gestoßen«, erklärte Hannah. »Er hat vergessen, wie sein Vater aussieht.«
    »Oh«, erwiderte Iphigenia und schaute ihn traurig an. »Dein Vater war sehr schneidig, aber er konnte auch ein wenig aufbrausend sein. Doch das sind die meisten Kobolde.«
    »Mein Vater ist ein Kobold? «
    Avi lehnte sich zurück. Damit hatte er nicht gerechnet. Der einzige Kobold, den er kannte, war Xander. Wusste der vielleicht etwas über seinen Vater?
    »Deine Mutter hatte eine Affäre«, fuhr Iphigenia fort. »Wie die meisten Nymphen braucht sie viel Zuneigung. Für sie ist es in gewisser Hinsicht wie eine Droge. Kellen liebte sie auf seine Weise, doch nachdem er fort war, nun, da hat sie sich anderweitig amüsiert. Mit Oren, deinem Vater.«
    Zuneigung. Wie eine Droge. Avi dachte daran, wie sich ihr Gesicht manchmal in seiner Gegenwart rötete. Überhäufte sie ihn mit Geschenken, um seine Liebe zu erkaufen?
    »Mein Vater. Wie kann ich ihn finden?«, fragte er. »Woran erkenne ich ihn, Iphigenia?«
    »Oren kann gut mit dem Schwert umgehen. Und er trug immer das Auge des Alkenoi um den Hals.« Avi runzelte die Stirn. »Oh, es ist sehr auffällig«, sprach Iphigenia weiter. »Aus Gold mit einer einzigen Perle in der Mitte. Die Perle hat einen leuchtend grünen Einschluss. Man sagte mir, es hätte Arethusas Großvater gehört.«
    Ein Bild stand vor Avis geistigem Auge. Der Kundschafter, der im Globe Theatre die Arme durch die Falltür gestreckt hatte. Das Medaillon an der Kette um seinen Hals …
    »Er ist in die Zwischenwelt gefallen«, stieß Avi hervor. »Als ich ins Feenreich übergewechselt bin. Er hat mir das Leben gerettet!«
    »Das klingt ganz nach Oren«, meinte Iphigenia. Kurz hoben sich ihre Mundwinkel und senkten sich wieder.
    »War er es?« Hannah packte Avi am Arm.
    Avi nickte langsam und zögernd. »Er war mit einem Schwert bewaffnet, und er hat mich gerettet.« Er starrte Iphigenia an. »Das also war mein Vater, und ich habe nichts davon geahnt. Und nun ist es zu spät.«
    Hannah erhob sich auf die Knie und schlang die Arme um seine Schultern. »O Avi, es tut mir so leid.«
    Immer wenn ich etwas zurückgewinne, dachte er, wird mir dafür etwas anderes weggenommen.
    »Was für ein Jammer«, sagte Iphigenia. »Er war ein ziemlicher Draufgänger, aber auch sehr tapfer.«
    Avi schmiegte den Kopf an Hannahs Hals und lauschte, wie der letzte Tannenzapfen im Feuer zerplatzte. Einen Moment stellte er sich vor, wie es wäre, für immer hierzubleiben und wie

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