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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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Wölfe waren angeleint, und Arethusa zerrte an dem Strick. Obwohl sie keine kräftig gebaute Frau war, gehorchten die Tiere und beruhigten sich sofort.
    »Wie hast du uns gefunden?«, fragte Avi.
    »Genau so, wie ich euch in Iphigenias dreckiger Kate aufgespürt habe«, entgegnete Arethusa.
    Avi betrachtete die Wölfe. Ihre Augen bestanden aus Stein.
    »Kein Wunder, dass du allen immer einen Schritt voraus bist«, sagte er.
    »Wovon redest du?«, erkundigte sich Hannah.
    »Das erkläre ich dir später. Gehen wir.«
    Er nahm Hannahs Hand und trat kühn einen Schritt vor. Sofort lockerte Arethusa die Leine ein wenig, so dass gelbe Zähne nur wenige Zentimeter vor Avis Bein ins Leere schnappten. Er zog das Elfenmesser aus dem Taillenbündchen und hielt es hoch, worauf die Wölfe außer sich gerieten und sich heulend in die Klinge stürzen wollten. Arethusa konnte sie kaum noch bändigen.
    »Sie werfen sich hinein!«, überschrie Avi den Tumult. »Das hast du vergessen, als du es mir geschenkt hast, richtig?«
    Zum ersten Mal wirkte Arethusa ratlos. Sosehr sie auch an der Leine zog und Befehle rief, die Wölfe hörten nicht auf sie. Die Königin stemmte die Absätze in den Boden und stieß ein merkwürdiges Gebell aus.
    Sofort hielten die Wölfe inne, schmiegten sich hechelnd und winselnd an Arethusas Beine und legten sich schließlich in den Schnee. Wohin ihre steinernen Augen blickten, war nicht festzustellen, aber Avi war sicher, dass sie noch immer das Messer ansahen.
    »Also«, fuhr er fort und hielt das Messer weiter hoch erhoben. »Was hältst du von einer Abmachung? Du lässt uns gehen, und deine Wölfe bleiben am Leben.«
    Aber Arethusa lachte nur auf. »Ich bin nicht auf meine Wölfe angewiesen.«
    Als sie mit der Hand winkte, fiel ein Schatten auf sie, gefolgt von einem zarten Lufthauch und einem plötzlichen durchdringenden Kreischen. Eine riesenhafte Gestalt fiel vom Himmel. Erschrocken zog Avi Hannah zurück. Kurz darauf landete ein gewaltiger Adler neben Arethusa. Er reichte ihr beinahe bis zur Taille und hatte ein totes Lamm im goldenen Schnabel. Der Vogel begann, seine Beute zu verspeisen.
    Unter Avis Füßen erzitterte der Boden. Ein Erdbeben? Vom Gipfel des Hügels aus näherten sich, halb verborgen von Schneeverwehungen, weitere Gestalten: große Katzen und Bären und zahlreiches winziges Getier. Panisch hielt Avi Ausschau nach einem Fluchtweg, doch sie waren von Arethusas tierischer Wachmannschaft umzingelt. Auch der Gatorhahn, der ihnen bei ihrem ersten Spaziergang hierher gefolgt war, war dabei. Am Horizont hob sich ein Koloss vom stürmischen Himmel ab: das gewaltige Wildschwein, das die Zugbrücke des Turms zerschmettert hatte.
    Avi zog Hannah fester an sich. Sie starrte hinauf in den Himmel, als rechne sie mit weiteren Adlern.
    Lächelnd schlenderte Arethusa an ihnen vorbei den Hügel hinunter. Die Wölfe trotteten gehorsam hinter ihr her.
    »Es ist nur zu deinem eigenen Besten, Avi«, sagte sie. »Bei mir im Palast bist du sicher, nicht zu vergessen auch vor der Versuchung, den Feenthron zu übernehmen. Oder wärst du lieber Gefangener in Kellens Folterstube?«
    »Ich möchte überhaupt kein Gefangener sein.«
    »Tut mir leid, Avi, aber durch deinen Fluchtversuch hast du das Recht auf diese Entscheidung verwirkt.«

    Die Räumlichkeiten waren luxuriös ausgestattet und verfügten über zwei Schlafzimmer mit weichen Betten und ein Wohnzimmer. Allerdings waren die scheibenlosen Fenster wegen der kalten Nachtluft fest mit Läden verrammelt, und die Tür zum Flur war abgeschlossen. Avi spähte durchs Schlüsselloch. Die beiden Wachleute hatten sich nicht von der Stelle gerührt.
    »Wir könnten genauso gut wieder im Turm sitzen«, schimpfte er.
    »Wie lange, glaubst du, will sie uns hier einsperren?«, fragte Hannah und schaute durch eines der zur Verzierung angebrachten Löcher im Fensterladen.
    Avi ließ sich aufs Sofa fallen. »Keine Ahnung. Es tut mir so leid, Hannah. Ich weiß, wie gerne du nach Hause wolltest.«
    »Das will ich immer noch.« Sie klang geistesabwesend.
    »Was siehst du da draußen?«
    »Ich bin nicht sicher. Eine Art Vogel. Er ist mir schon auf dem Hügel aufgefallen. Während Arethusa mit uns geredet hat, ist er die ganze Zeit über unseren Köpfen gekreist.«
    »Um sich vor den Adlern zu schützen?«
    »Vermutlich. Ich habe ihn nur wegen seines hellgelben Gefieders bemerkt. Da ist er wieder.«
    Avi trat zu ihr an den Fensterladen. Und wirklich flatterte draußen in der

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