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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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umrundete das Taxi, das einem riesigen zerquetschten Käfer ähnelte. Durins Leiche lag noch auf dem Kotflügel. Nach kurzem Zögern fing Avi an, seinen Mantel aufzuknöpfen.
    »Was machst du da?«, fragte Hannah und rümpfte die Nase.
    »Er braucht ihn nicht mehr«, antwortete er. Hannahs Miene wurde nicht versöhnlicher. »Ich glaube, er hätte Verständnis dafür.«
    Beim Unfall war ein Arm des Fahrers aus dem Ärmel gerutscht, und der andere ließ sich leicht abstreifen. Bald trug Avi einen fast knöchellangen grauen Mantel aus grobem Stoff.
    Hannah wühlte im Taxi herum, tauchte mit ihrer grell rosafarbenen Handtasche wieder auf und kehrte zu Avi zurück.
    Sie vermied es, Durins Leiche anzuschauen, und musterte stattdessen Avi von Kopf bis Fuß. Schließlich seufzte sie. »Wahrscheinlich musst du ihm auch die Schuhe ausziehen.«
    Das erwies sich als etwas mühsamer, war jedoch ein vernünftiger Vorschlag. Gewiss würde sich Kellen bald auf die Suche nach Avi machen, was hieß, dass er möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen durfte. Also kam es nicht in Frage, barfuß in London herumzulaufen.
    Außerdem mussten sie unbedingt von der Unfallstelle verschwinden. Und zwar sofort.
    Avi blickte die Straße entlang. Vom anderen Ufer war bereits Verkehrslärm zu hören, aber hier war noch alles erstarrt. Allerdings war es nur eine Frage der Zeit, bis auch an diesem Ufer wieder Bewegung in die Welt kam.
    »Sagt dir der Name Savoy etwas?«, erkundigte er sich.
    »Meinst du das Hotel?«
    »Keine Ahnung.«
    »Das ist das einzige Savoy, das ich kenne.«
    »Wo ist es?«
    »Nicht sehr weit von hier.«
    »Kannst du es mir zeigen?«
    Kurz huschte ein Ausdruck über ihr Gesicht, jedoch zu schnell, als dass er ihn hätte deuten können. »Ich begleite dich bis zum Trafalgar Square – das Savoy ist ganz in der Nähe. Danach … bin ich beschäftigt.«
    Um sie herum erwachte London aus seinem unnatürlichen Schlaf. Die Sonne ging auf, tauchte die Gebäude in einen goldenen Schein und ließ die Widersprüchlichkeiten der Stadt stärker hervortreten: Alte Steinfassaden und elegante neue Gebäude aus Glas und Stahl standen Seite an Seite. Obwohl Avi glaubte, diese Stadt kennen zu müssen, fühlte er sich völlig fremd.
    Hinzu kam, dass er keine Zeit hatte, die Architektur zu bewundern. Stattdessen spähte er in jede dunkle Ecke. Überall konnte Kellen oder einer seiner Gehilfen lauern. Durins Schuhe waren ihm zu groß, so dass er sich darin unbeholfen und verunsichert vorkam – würde er im Notfall darin rennen können?
    Die Tauben im Tunnel hat er geschickt. Wie hat Durin sie genannt? Kundschafter?
    Wenn die Vögel Kellen gehörten, über welche Geschöpfe verfügte er sonst noch?
    Sie gingen an einer Statue vorbei, die einen Mann zu Pferde darstellte. Die Augen von Ross und Reiter schienen Avi durchdringend zu mustern. Er hastete weiter und zwang sich, sich nicht umzusehen, voller Furcht, die Statue könnte zum Leben erwachen.
    Schließlich erreichten sie den Platz mit den steinernen Löwen.
    »Schau«, meinte Hannah, so dass er beim Klang ihrer Stimme erschrocken zusammenzuckte. »Die Flaggen am Admirality Arch wehen. Ich sehe, wie sich die Autos auf der Mall bewegen.«
    Und wirklich war die lange, von Bäumen gesäumte Straße dicht befahren: rote Busse, silberne Autos und schwarze Taxis wie das von Durin. Einige Ampeln, die auf Grün gestanden hatten, sprangen plötzlich auf Rot um, und in einem Schaufenster schalteten einige Fernseher auf Sendung.
    Angezogen von den bunten Bildern, blieb Avi vor dem Schaufenster stehen. Hannah folgte ihm.
    »Ich wusste doch, dass ich dich von irgendwoher kenne!«, rief sie plötzlich. »Du bist der Junge aus dem Fernsehen. Der, der vor den Zug gefallen ist. Deshalb hattest du auch ein Krankenhausnachthemd an.«
    »Ich bin nicht gefallen«, widersprach Avi. »Ich bin gesprungen.«
    Ihre Augen weiteten sich. »Wirklich? Sie haben dich als Wunderjungen bezeichnet und gesagt, deine Knochen wüchsen so schnell zusammen, wie sie es noch nie erlebt hätten. Fachärzte aus aller Welt haben darum gebeten, dich anschauen zu dürfen.«
    »Das muss ein Irrtum gewesen sein«, entgegnete Avi. »Schau mich doch an. Mache ich den Eindruck eines Menschen, der sich gerade sämtliche Knochen gebrochen hat?«
    »Irgendwie nicht. Aber genau das fanden sie ja so erstaunlich.« Sie starrte ihn an. »Was ist eigentlich mit deinen Augen los? Trägst du Kontaktlinsen oder so?«
    Plötzlich verlegen, hielt Avi sich die

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