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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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Dinge ist, dass ich dringend einer guten Freundin helfen muss. Sie … steckt gewissermaßen in der Klemme.«
    »Sie?« Hannahs Tonfall wurde argwöhnisch. »Bin ich da nicht unerwünscht? Ich möchte nicht das fünfte Rad am Wagen sein.«
    »Du bist ganz und gar nicht unerwünscht.«
    »Ist das dein Ernst?«
    Avis Haut prickelte, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte. Seit er im Krankenhausbett aufgewacht war, hatte er sich von einer Welle der Ungewissheit tragen lassen und verzweifelt nach jedem Stück Treibholz gegriffen. Hannah war zu einer Konstante geworden, auf die er sich verlassen konnte.
    »Ja, mein voller Ernst.«
    Eine Pause entstand. »Wohin gehen wir?«, wollte sie dann wissen.

Kapitel 11
    D er Abend dämmerte schon, als Avi und Roosevelt die Seitengasse hinter der Victoria Station erreichten. Als sie sich dem Eingang näherten, sprang eine Straßenlaterne an. Darunter stand Hannah. Sie schien sich in diesem heruntergekommenen Viertel wie zu Hause zu fühlen, erfahren auf der Straße und selbstsicher trotz der schmutzigen Umgebung. Sie trug Jeans und ein Kapuzensweatshirt mit Reißverschluss. Sobald Avi sie sah, kam ihm eine Erkenntnis, die so einfach war, dass er bis jetzt gar nicht daran gedacht hatte: Ich vertraue ihr.
    »Mal was anderes als das Savoy, was?«, witzelte sie.
    Die Gasse verlief zwischen zwei schäbigen Mietskasernen und strotzte von überquellenden Mülleimern und feuchten Pappkartons. Ein verlassener Kühlschrank stand auch da, und unter der ständig tropfenden Regenrinne gammelte ein Schaukelpferd vor sich hin.
    »Verrate mir bitte eines, Avi, mein Junge.« Roosevelts Stimme hallte von den Hausmauern wider. »Ist dir diese desolate Gegend bekannt?«
    »Ja, ist sie«, erwiderte Avi, froh, dass er sich tatsächlich an diesen Ort erinnerte, obwohl er nicht unbedingt begeistert war, hierher zurückzukehren. Kurz ruhte seine Hand auf der Tasche, die er geschultert hatte. Roosevelt hatte sie sich in McNemosynes Palast »ausgeliehen«, und sie enthielt sein Erinnerungsbuch.
    »Und wie kommen wir rein?«, fragte Hannah.
    Ein Türstock ohne Tür führte in ein schwarzes Treppenhaus. Auf dem Weg in den vierten Stock versuchten sie, die Leute dort so wenig wie möglich zu stören. Die meisten schliefen, zugedeckt mit alten Zeitungen oder zerschlissenen Schlafsäcken. Niemand achtete auf sie.
    Das Zimmer sah noch genauso aus, wie Avi es im Gedächtnis hatte: der Schimmel in den Ecken, die verbeulte Matratze. Er spürte, wie sich weitere Erinnerungen meldeten. Die Poster, die er aufgehängt hatte. Sie stellten Waldszenen und dunstumwaberte Wiesen dar. Er hatte auch Zimmerpflanzen gezüchtet – wilden Wein, der sich die Wände emporrankte, und einen Farn mit breiten Blättern, der in einem Papierkorb wuchs. Die Decke hatte er mit einem schwarzen Laken verkleidet, in das er verschiedene Löcher gestochen hatte. Wenn er das Licht anmachte, hatten die Löcher geleuchtet wie weit entfernte Sterne. Steinchen und trockene Blätter lagen auf dem Boden.
    »Nicht unbedingt ein Zuhause«, stellte Roosevelt fest. »Aber es könnte bei wohlwollender Betrachtung als eines durchgehen.« Dennoch trat er nicht ein, sondern blieb in der Tür stehen.
    »Wie lange hast du hier gewohnt?«, erkundigte sich Hannah.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Avi.
    Sein Blick wanderte zum Fenster, wo die Kommode stand, dann durchquerte er das Zimmer und beugte sich über die Schublade. »Brucie?«, flüsterte er. »Brucie, bist du da drin?«
    »Mach einfach die elende Schublade auf«, sagte Roosevelt von der Tür aus. »Ich möchte nicht länger als nötig an diesem Ort bleiben.«
    In seinem Tonfall schwang eine Anspannung mit, die Avi noch nicht an ihm kannte. Sie erschreckte ihn und sorgte dafür, dass er den Schlüssel umdrehte und die Schublade aufzog.
    Darin befanden sich nur alte Zeitungen und ein paar braune Körnchen: Mausekot. Aber keine Spur von Brucie.
    »Das verstehe ich nicht«, murmelte Avi. »Ich hätte schwören können …«
    Plötzlich erhob sich eine der Zeitungen in die Luft und segelte genau auf Avi zu. Er wich zurück und hob schützend die Hände, während die Seiten der Zeitung ihn umflatterten wie ein Vogel mit zu vielen Flügeln. Schließlich zerriss das Papier, und ein kleines, zorniges Geschöpf flitzte durch das so entstandene Loch.
    »Brucie!«, rief Avi. Hinter ihm stieß Hannah einen Schrei aus.
    »Du findest das wohl sehr komisch!«, brüllte die Elfe mit ihrem Stimmchen. »Mich einfach

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