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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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rückten näher. Eine dicke Abgaswolke lag in der Luft. Hinter ihnen pulsierte zorniges Blaulicht. Die Sirene des Streifenwagens gellte ohrenbetäubend.
    Brucie hatte einen guten Vorsprung. Es war erstaunlich, wie schnell sie fliegen konnte. Im nächsten Moment blieb sie stehen und warf eine Handvoll Samen in die Luft. »Aiee! Gruwan!«, schrie sie mit schriller Stimme.
    Anstatt zu Boden zu fallen, flogen die Samen zur Seite und bohrten sich in die gewölbten Wände und die Decke. Sofort schlugen sie Wurzeln, Ranken schossen aus dem Beton und bildeten rasch ein großes grünes Netz, das die gesamte Straße blockierte.
    Ein Lastwagen prallte gegen das Netz. Die Ranken fielen darüber und hüllten ihn in Sekundenschnelle ein. Andere Fahrzeuge gerieten ins Schleudern. Der Tunnel füllte sich mit Qualm.
    Direkt vor ihnen streckte sich eine einzelne Ranke aus dem Gewebe wie eine Rampe. Sie war so dick wie ein Baumstamm. Würde sie ihr Gewicht tragen? Zum Nachdenken reichte die Zeit nicht. Avi betätigte die Gangschaltung, steuerte direkt auf die Ranke zu und schloss die Augen. Das Motorrad stieg und stieg. Schließlich verstummte das Dröhnen der Reifen, und sie flogen durch die Luft. Avi schlug die Augen auf. Direkt vor ihnen hatte sich eine Lücke im Netz aufgetan. Das Motorrad schwebte hindurch und landete mit einem Rumms auf der anderen Seite. Zum ersten Mal seit Beginn der Verfolgungsjagd bremste Avi und brachte das Motorrad mit quietschenden Reifen zum Stehen. Der Geruch nach verbranntem Gummi raubte ihm fast den Atem.
    Er blickte sich um. Lichter erschienen hinter dem Gewirr aus Ranken. Der Streifenwagen versuchte, Avi auf der improvisierten Rampe zu folgen, doch die Ranke war viel zu schmal, so dass der Wagen mit dem Unterboden hängen blieb und sich die Räder hilflos in der Luft drehten. Dann kippte das Fahrzeug langsam herunter.
    Brucie kam durch das Netz geflitzt, das bereits zu verwelken begann. Sie klopfte sich die Hände ab und zwängte sich unter Avis Mantel.
    »Das war eine Menge Arbeit für eine Elfe«, stellte sie fest. »Stört es dich, wenn ich ein Nickerchen halte?«
    »Viel Vergnügen«, erwiderte Avi. »Wenn ich nur wüsste, wo ich jetzt hinfahren soll. Zurück ins Savoy?«
    »Leider«, entgegnete Roosevelt, »wird Kellen meine Räumlichkeiten unter strengster Bewachung halten. Und dasselbe gilt zweifellos für deine heruntergekommene Bruchbude.«
    »Hannahs Haus«, schlug Brucie gähnend vor. »Das wäre die optimale Lösung.«
    »Wäre es«, stimmte Avi zu. »Ich habe nur keine Ahnung, wo sie wohnt.«
    »Na«, meinte Brucie und wechselte von seinem Mantel in Hannahs Handtasche, »dann werde ich mal nachschauen.«
    Auf dem Boot hatte Hannah ihre Handtasche ausgeräumt, um Platz für Brucie zu schaffen, und nun entdeckte die Elfe ein in das Futter eingenähtes Etikett, auf dem Name, Adresse und Telefonnummer standen.
    »Primrose Hill«, meinte Avi, als sie den Tunnel verließen. »Kann mir jemand sagen, wo das ist?«
    »Kann ich«, antwortete Roosevelt, der genauso müde klang wie Brucie. Avi hingegen platzte vor Aufregung. Die Trauer wegen Hannahs Entführung und die abenteuerliche Verfolgungsjagd hatten sein Blut zum Brodeln gebracht.
    »Weckt mich, wenn wir da sind«, wies Brucie sie an, zog sich das Revers von Durins Mantel übers Gesicht und war sofort eingeschlafen.
    »Nach Norden«, verkündete Roosevelt. »Und schone die Pferde nicht!«
    Also fuhr Avi nach Norden, wobei er sich ständig nach Verfolgern umsah. Aber er entdeckte niemanden. Weder Kellen und seine Kundschafter noch die Polizei. Niemand achtete auf sie. Offenbar fanden es die wenigen Passanten völlig normal, dass ein sechzehnjähriger Junge und ein dicker Mann auf einem Polizeimotorrad durch die Vororte von London fuhren, während die Uhren Mitternacht schlugen.
    Gegen Ende der Reise passierten sie den Regents Park. Schon bevor Avi die Schilder bemerkte, wusste er, dass sie sich in der Nähe der großen Menagerie, dem Zoo von London, befanden. Der Ort kam ihm vertraut vor, obwohl er keine Ahnung hatte, warum.
    Im Vorbeifahren wurde er langsamer und schnupperte den Duft der Tiere. Diese stießen ihre Rufe aus und wieherten, bellten, brüllten oder kreischten, wie es ihrer Art entsprach. Als sie den Zoo hinter sich ließen, hatten sich die Geräusche in eine Symphonie verwandelt.
    Es war ein urwüchsiger Klang, der etwas tief in Avis Innerem anrührte. Während Roosevelt ihn nach Primrose Hill lotste, fragte er sich nach dem

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