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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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einem Strand spielte. Daneben hing ein Bild, das den Mann allein darstellte. Er trug eine Militäruniform. Jemand – vermutlich Hannah – hatte ICH WERDE DICH IMMER VERMISSEN darauf geschrieben.
    »Ihr Vater ist tot«, stellte Brucie fest. Sie saß in der Dachgaube und spähte in die Nacht hinaus. Avi ließ sich auf der Fensterbank nieder, um auf Augenhöhe mit ihr zu sein.
    »Woher weißt du das?«
    »Das höre ich aus dem Foto heraus«, erwiderte sie. »Du nicht?«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass Fotos sprechen können.«
    »Alles spricht. Man muss nur die Ohren spitzen.«
    Brucie öffnete das Fenster. Nachtluft wehte herein und trug die Geräusche des Zoos heran, der jenseits eines sanft abfallenden, mit Gras bewachsenen Hügels undeutlich auszumachen war.
    »Hörst du die Vögel?«, fuhr sie fort. »Ein Jammer, dass sie in Käfigen sitzen müssen, obwohl sie doch nur die Flügel ausbreiten wollen.«
    »Haben sie dir gesagt, dass sie sich nach der Freiheit sehnen?«
    »Tut das nicht jeder?«
    Avi lauschte. Beim Vorbeifahren am Zoo hatten die Rufe der Tiere etwas in ihm ausgelöst. Inzwischen jedoch nahm er nur noch Geräusche wahr, die dünn und einsam klangen. Erschaudernd machte er das Fenster wieder zu.
    »Ich habe das Gefühl, dass ich in ihrem Zimmer nichts zu suchen habe«, meinte er.
    »Möchtest du wieder runtergehen?«
    »Ich will sie retten, Brucie. Vorher finde ich keine Ruhe.«
    Dennoch gähnte er, zweimal. Offenbar forderten seine Abenteuer nun ihren Tribut.
    »Du musst schlafen«, sagte Brucie.
    Wieder ein Gähnen. »Noch nicht. Zuerst will ich dich etwas fragen.«
    »Kann das nicht warten?«
    »Nein, kann es nicht.«

    Avi entdeckte Milch in der Küche und erwärmte sie in einem Topf. Dann suchte er eine große Tasse für sich und einen Eierbecher für Brucie. Bis jetzt war ihm gar nicht klar gewesen, dass er wusste, wie man Kakao machte. Und dennoch vollführten seine Hände die richtigen Bewegungen, als erinnere sich sein Körper an Dinge, die sein Verstand vergessen hatte. Es war ein seltsames Gefühl, das sein Bedürfnis, etwas gegen seinen Gedächtnisverlust zu tun, noch steigerte.
    Im Wohnzimmer fanden sie Roosevelt fest schlafend vor. Er schnarchte leise, die Hände über dem gewaltigen Wanst verschränkt. Das leere Tablett lag, umgeben von Hühnerknochen, auf dem Boden.
    Auf den Sport folgte eine Nachrichtensendung. Eine junge Frau berichtete, auf der Kante eines Schreibtischs sitzend, über eine Verfolgungsjagd durch die Straßen von Greenwich. Verwackelte Aufnahmen, von einem Passanten mit dem Mobiltelefon gefilmt, zeigten, wie Avi und Roosevelt eilig den Marktplatz verließen. Zu Avis großer Erleichterung waren ihre Gesichter völlig verschwommen. Noch wichtiger war, dass die Polizei offenbar keinerlei Hinweise auf den Aufenthalt der Flüchtigen hatte, die die Nachrichtensprecherin als »Stan und Ollie« bezeichnete.
    Als Nächstes kam ein humorvoller Bericht über die Rattenplage in der Tate Galerie für moderne Kunst. Avi schaltete den Fernseher ab, dann tranken sie ihren Kakao.
    »Ich muss sie finden«, begann er nach einer Weile.
    Brucie nickte. »Natürlich musst du.«
    Dass sie ihn auch ohne große Worte verstand, erwärmte ihn noch mehr als der Kakao. »Bis jetzt dachte ich, meine Rückkehr ins Feenreich wäre wichtig«, fuhr er fort. »Für mich, meine ich. Doch wie sich jetzt herausstellt, spielt das gar keine Rolle. Hannah zu retten, ist alles, was zählt.«
    »Vorausgesetzt, sie lebt noch«, wandte Roosevelt ein und öffnete das Auge mit dem Monokel.
    »Ist es ein Fehler von mir, das zu hoffen?«, entgegnete Avi und wünschte, dass der Wächter ihm widersprechen würde.
    Als Roosevelt lächelte, veränderte sich sein Gesicht und wirkte beinahe gütig. »Fehler zu machen, ist nicht deine Art, lieber Avi. Dennoch möchte ich dir einen Rat geben. Mancher Amor tötet mit Pfeilen, mancher mit Fallen. «
    Avi zuckte zusammen. »Glaubst du, Kellen benutzt sie als Lockvogel?«
    »Würde dich das zurückhalten?«
    »Nein, ganz bestimmt nicht.«
    Roosevelt schloss das Auge wieder. »Dann, Avi, musst du gehen.«
    Brucie leerte ihren Eierbecher und stellte ihn weg. »Das klingt ja alles schön und gut«, merkte sie an. »Aber die Brücke ist zerstört.«
    »Wie traurig«, erwiderte Roosevelt. »Das Ende einer Ära.«
    »Es muss doch noch andere Brücken geben«, entgegnete Avi und beugte sich vor. »Das hast du selbst gesagt.«
    »Ein paar«, antwortete Brucie widerstrebend.

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