Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Motorrad zwischen den Kisten hindurch. Doch als er den Platz verließ und auf die Straße hinausschoss, bog der zweite Streifenwagen um die Ecke und schnitt ihm den Weg ab. Avi betätigte die Bremse, wendete und kehrte auf den Platz zurück.
Und steuerte direkt auf den anderen Streifenwagen zu.
Eine Ausweichmöglichkeit gab es nicht, denn zu beiden Seiten stapelten sich Kisten. Widerstrebend bremste Avi wieder ab, denn die Alternative wäre gewesen, auf der Motorhaube des Streifenwagens zu landen. Schließlich hatte er bereits einen Zusammenstoß mit einer U-Bahn überstanden und keine große Lust, diese Erfahrung zu wiederholen.
Im nächsten Moment war Brucie zurück. Sie flitzte an dem stehenden Motorrad vorbei, dass ihre Flügel im Scheinwerferlicht silbern aufblitzten. Dann holte sie etwas unter ihrem Eichel-Hut hervor und warf es vor die Räder des herannahenden Wagens. Es sah aus wie winzige Perlen.
»Aiee!«, kreischte sie. »Aiwecnian!«
Das Auto rollte über die Perlen und geriet sofort ins Schwanken. Lange grüne Ranken wuchsen aus den Radkappen und wickelten sich um die Räder. Als sie sich immer enger zusammenzogen, platzten alle vier Reifen gleichzeitig. Die Ranken wurden mit erstaunlicher Geschwindigkeit länger, krochen über Motorhaube und Windschutzscheibe und brachten dabei stachelige grüne Blätter hervor. Wie neugierige Finger hebelten sie die seitlichen Fenster auf und wuchsen ins Innere des Wagens, der inzwischen hin und her schaukelte und schleuderte.
Im Wageninneren angekommen, fingen sie an, Früchte zu tragen.
Zuerst entstanden gelbe Blüten, die sich rasch in dicke Kürbisse verwandelten und das Auto füllten. In seinen Sitz gedrückt, verlor der Fahrer die Kontrolle über den Wagen, der in einen Kistenstapel knallte und an einer Mauer zum Stehen kam. Wegen der vielen Kürbisse ging der Airbag nicht auf.
Da der Fluchtweg nun frei war, gab Avi Gas und raste über den Platz zu dem demolierten Marktstand, wo Roosevelt ihn erwartete.
»Möchtest du wieder übernehmen?«, fragte Avi, nachdem er angehalten hatte.
»Warum, wenn du dich so wacker schlägst?«, rief Roosevelt, sprang auf den Sozius und schlang die Arme um Avis Taille. Die Stoßdämpfer sackten ein. »Wir wollen unsere Fahrt fortsetzen.«
Den letzten Streifenwagen dicht auf den Fersen, steuerte Avi zurück auf die Hauptstraße. Inzwischen hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt, um das Spektakel zu beobachten. Die Leute liefen blitzschnell auseinander, als das Motorrad vorbeiraste.
»Nimm die Eisenbahnbrücke!«, rief Brucie Avi ins Ohr. »Ich habe noch einen Trick auf Lager!«
»Weitere Zauberperlen?«, fragte Avi.
»Keine Perlen – Samen! Wie ich schon sagte, sind die Bäume unsere Freunde. So habe ich auch deine Handschellen aufgekriegt. Ich habe einen Samen ins Schloss gesteckt und dem Harz den Rest überlassen.«
»Können das alle Elfen?«
»Hängt von ihrem Hut ab!«
»Warum hast du dann Hannah das Schloss am Planetarium aufbrechen lassen?«, fragte er sie.
»Ach, sie hat es doch gut gemacht, oder nicht?«
Avi fuhr über die Brücke auf eine Straße, die viel breiter war als alle zuvor. Aus zwei Fahrspuren wurden drei und schließlich vier. Autos wichen ihnen aus, Hinweisschilder sausten vorbei.
»Was ist der Blackwall Tunnel?«, erkundigte er sich.
»Ein Ort, wo wir eine Menge Unheil anrichten können.« Brucie grinste.
Vor ihnen erhob sich ein riesiger weißer Halbkreis aus dem Boden. Befestigt war er mit Speeren, die aussahen, als hätten die Götter sie geworfen. Im nächsten Moment führte die Straße in einem weiten Bogen bergab. Sie fuhren unter die Erde.
»Was ist hier los?«, wunderte er sich.
»Die Sterblichen bezeichnen es als die Kuppel«, erklärte Roosevelt.
»Es sieht aus wie eine Blase.«
»In der Tat ein passender Vergleich, denn dieses ganze Gebiet war früher ein Blasen werfender Sumpf. Eine üble Gegend. Der Sumpf ist inzwischen trockengelegt, doch es ist noch immer kein idyllischer Ort, selbst in dieser Welt.«
»Was soll das heißen?«
»Dafür ist jetzt keine Zeit!« Brucie flog neben ihnen her und übertönte den Wind. »Fahr in den Tunnel, Avi, und schau dich nicht um.«
Die Straße mündete in einem schwarzen Loch im Boden. Trotz der sich bis in die Ferne erstreckenden Deckenbeleuchtung war es ziemlich dämmrig hier.
Als ich das letzte Mal in so einem Tunnel war, hat Kellen mich gefunden.
Das Dröhnen des Motorrads schien im Tunnel lauter zu werden. Die Wände
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