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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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tut mir leid, aber ich habe mich um die Staatsgeschäfte zu kümmern. Wir unterhalten uns später weiter.«
    Widerstrebend näherte Avi sich der Tür, im letzten Moment rief seine Mutter ihn zurück.
    »Fast hätte ich es vergessen«, meinte sie und wühlte in den riesigen Taschen ihres Gewands. »Ich habe ein Geschenk für dich, das dich zu Hause willkommen heißen soll.«
    Neugierig kehrte Avi um. Als er sah, was sie ihm hinhielt, weiteten sich seine Augen. »Ein Messer?«
    Sie drückte es ihm in die Hand. »Es ist eine Klinge aus dem irischen Elfenreich.«
    Avi betrachtete es. Es sah aus wie ein Elefantenstoßzahn. Das dicke Ende war mit Leder umwickelt, um einen Griff zu formen, der bequem in der Hand lag. Die Klinge wirkte scharf genug, um damit Diamanten zu zerschneiden.
    »Es ist sehr schön«, erwiderte er. »Danke.« Zögernd wechselte er das Messer von einer Hand in die andere.
    »Stimmt etwas nicht?«, fragte Arethusa. Ihr Blick wanderte wieder zu den Pergamentrollen und ihren Pflichten.
    »Äh … es ist nur … gibt es denn keine Scheide oder so was? Ich möchte mich nicht schneiden.«
    »Das Messer gehört dir, Avi. Eine Klinge aus dem Elfenreich kann ihren Besitzer nicht verletzen. Schau.«
    Mit einer blitzschnellen Bewegung nahm sie das Messer, stieß es Avi in den Unterarm und zog es wieder heraus. Mit einem Aufschrei riss er den Arm zurück und stellte fest, dass er völlig unversehrt war. Sein Schreck wuchs noch, als Arethusa mit der Messerspitze leicht über ihre eigene Hand fuhr. Sofort quoll Blut aus der Schnittwunde.
    Sie lutschte an der Wunde und gab ihm das Messer zurück. Als sie die Hand wegnahm, waren ihre Lippen rot vom eigenen Blut.
    »Du und deine Freundin könnt euch in meinem Palast frei bewegen«, verkündete sie. »Aber bleibt bitte auf dem Gelände. Unsere Feinde rücken näher, und ich möchte nicht, dass du noch einmal entführt wirst.«

    Tyrian teilte Avi mit, Brucie werde noch behandelt und könne am nächsten Tag Besuch empfangen. Also machte sich Avi auf die Suche nach Hannah. Tyrians Wegbeschreibung folgend, ging er eine Marmortreppe hinunter. Der Baldachin aus Efeu, der sich darüber spannte, zerteilte das Sonnenlicht in grelle kleine Funken. Er schlenderte an einem Becken voller goldener und silberner Aale vorbei und durch einen kahlen Obsthain. Er war erstaunt, wie gut die Feenkleider wärmten. Trotz des dünnen Stoffs fühlte er sich wie in kuschelige Pelze gehüllt.
    Er sah Hannah, bevor sie ihn bemerkte. Sie stand da und spähte über die Brüstung einer verzierten Brücke, die über einen Nebenarm des Flusses führte, brach Eiszapfen von den Bögen ab und warf sie ins Wasser. Mit ihrem zweifarbigen Haar und der in der Palastwäscherei gereinigten modernen Kleidung machte sie einen fast unwirklichen Eindruck, so als käme sie aus einer anderen Welt. Bei Avis Anblick erhellte sich ihre Miene.
    »Weißt du inzwischen, wo wir sind?«, fragte sie.
    »Was meinst du damit?«
    Sie drehte Avi herum, so dass er mit dem Rücken zum Wasser stand. Vor ihm erhob sich der gewaltige Hauptsaal von Arethusas Palast. Rechts ragte eine schlanke Turmuhr empor, links verteilten sich einige kleinere Gebäude auf dem Gelände.
    »Das ist mein Zuhause«, erwiderte er. »Nehme ich wenigstens an.«
    »Mach deine Augen halb zu und stell dir vor, du wärst auf einem Boot«, wies sie ihn an.
    Verdattert gehorchte er. Schneewolken verdeckten die Sonne, und die Schatten veränderten ihre Farbe. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
    »Das ist Westminster!«, rief er. »Die Häuser des Parlaments. Nun, wenigstens ein Teil davon. Big Ben fehlt. So muss es hier vor Hunderten von Jahren ausgesehen haben.«
    »Genau. Ich habe dir doch von unserem Schulausflug erzählt. Der große Saal stammt aus dem zwölften Jahrhundert und wurde von Wilhelm dem Zweiten erbaut. Er ist also wirklich alt. Alles passt, oder?«
    »Die Welten sind auseinandergetrieben«, meinte Avi. »Nur nicht sehr weit.«
    Ein Fischerkönig mit prächtigem türkisen und orangefarbenen Gefieder landete nur einen halben Meter entfernt von ihnen und musterte sie mit geneigtem Kopf.
    »Hast du ihn angelockt?«, fragte Avi erstaunt.
    Hannah tippte sich an den Nasenflügel. »Das verrate ich dir nicht«, entgegnete sie lachend.
    Die Wolkendecke öffnete sich wieder, und Sonnenlicht strömte über sie wie eine Welle, die an den Strand schlägt. Über den Wolken wölbte sich ein blauer Himmel.
    »Es wird ein wunderschöner Tag.

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