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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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hierherbegleitet hatte, hatte den Schnee so erwärmt, dass er beinahe schmolz. Doch anstatt zu tauen, stieg er in kleinen Flocken vom Boden auf.
    »Was ist denn das?«, erkundigte sich Hannah fasziniert.
    »Vielleicht verhält sich Feenschnee eben so«, antwortete Avi. »Er schmilzt nicht, sondern kehrt einfach dorthin zurück, wo er hergekommen ist.«
    Und so standen sie auf dem Primrose Hill, beobachteten, wie die Schneeflocken in den Himmel hinaufschwebten, und fragten sich, ob es morgen wohl so kalt sein würde, dass sie wieder herunterfielen. Nach einer Weile – Avi wusste nicht, wann – drehte sich Hannah in seinen Armen um und schmiegte den Kopf an seine Brust. Kurz darauf hob sie das Kinn und näherte ihre Lippen den seinen. Also küsste er sie.

Kapitel 27
    A m Abend veranstaltete Arethusa zur Feier der Rückkehr ihres Sohnes ein Bankett. Avi war aufgeregt, denn er rechnete damit, dass es in dem großen Saal stattfinden würde, von dem er im Erinnerungsbuch gelesen hatte. Allerdings entpuppte es sich als kleinere Veranstaltung in einem Speisezimmer mit Blick auf die Rasenflächen.
    Dennoch war es ein prunkvolles Festmahl. Mehr als hundert von Arethusas Höflingen – hauptsächlich Feen und Kobolde aller Altersklassen – saßen an zehn langen Tischen. Sie trugen bunte Kleider und Tuniken. Bei Avis Anblick verstummte ihr Geplauder. Es waren einige gedrungene Zwerge dabei, die kaum über die Tischkante schauen konnten. Zu Avis Erstaunen befanden sich – nach den derben Gesichtszügen zu urteilen – auch einige Goblins unter den Gästen. »Nicht alle Goblins sind Anhänger von Kellen«, flüsterte Tyrian ihm zu, der ihn in den Saal begleitet und seinen Schrecken offenbar bemerkt hatte. »Schließlich folgen auch nicht alle Kobolde Arethusa.«
    Als Hannah hereingeführt wurde, schnappte Avi nach Luft. Sweatshirt und Jeans waren verschwunden, stattdessen trug sie ein fliederfarbenes, figurbetontes Gewand. Ihre nackten Schultern und Arme waren blass. Nur an ihrem Haar hatte sie nichts verändert. Avi musste sich beherrschen, um sie nicht bewundernd anzustarren.
    »Ich fühle mich wie eine Schießbudenfigur«, zischte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    Avi verkniff sich ein Grinsen. »Du siehst wunderschön aus«, erwiderte er.
    Jeder Tisch war für einen anderen Gang eingedeckt, so dass die Gäste nach einem ausgeklügelten System die Plätze wechseln mussten und jeder die Speisen in unterschiedlicher Reihenfolge genoss. Avis Mahlzeit begann mit gelierten Früchten, gefolgt von einer gewaltigen Pastete, aus deren Kruste drei Fischköpfe ragten.
    Zu seiner Enttäuschung war Hannah am anderen Ende des Raums plaziert worden, allerdings sorgte das eigenartige Rotationsprinzip dafür, dass sie sich nach einiger Zeit am selben Tisch wiederfanden.
    »Das ganze Menü ist seitenverkehrt«, stellte Hannah fest und nahm sich eine dünne Scheibe von dem gebratenen Spanferkel, das mitten auf dem Tisch stand. »Ich habe mit dem Nachtisch angefangen, und zum Abschluss gibt es offenbar irgendeine Suppe.«
    »Ich habe sowieso schon viel zu viel gegessen«, ächzte Avi. Da ringsherum eifrig debattiert wurde, musste er schreien, um sich Gehör zu verschaffen. »Ich platze gleich.«
    Hannah entfernte den Deckel von einer kleinen Terrine und verzog angewidert das Gesicht.
    »Igitt, was ist denn das?«
    Schimmernde weiße Bälle schwammen in einer dicken Suppe. Sie erinnerten auf beunruhigende Weise an Augäpfel, und Avi rechnete schon damit, dass einer von ihnen sich umdrehen und ihn anstarren würde.
    »Nicht sehr appetitlich, was?«, meinte ein Kobold, der ihnen gegenübersaß. Als er lächelte, entstanden weitere Falten auf seinem ohnehin schon runzeligen Gesicht. Das Spiralmuster in seinen Ohren wirkte zerknittert, und er hatte schütteres graues Haar. Doch trotz seines hohen Alters war er noch drahtig und muskulös wie alle seine Artgenossen. Ein erfahrener Krieger, dachte Avi.
    »Was ist das?«, wiederholte Hannah. »Äh, wenn dich die Frage nicht stört.«
    »Nicht so schüchtern. Ein alter Kobold wie ich beißt nicht. Das sind die Eier des Rara Avis.«
    »Des Rara was?«
    »Avis. Dieser Vogel ist so selten, dass ihn noch nie jemand gesehen hat. Aber wenn man weiß, wo man suchen muss, und einen guten Jagdhund hat, findet man manchmal die Eier.«
    »Woher weiß man, dass es ihn gibt, wenn man ihn nie sieht?«, hakte Avi nach.
    Der Kobold fischte ein Ei aus der Suppe und schluckte es im Ganzen. »Glaube«, erwiderte

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