Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
Vom Netzwerk:
erwiderte Avi. »Das ist doch eine schwere Strafe für Goblins, oder?«
    »Kellen lebt«, entgegnete Arethusa barsch. »Da kannst du sicher sein.«
    »Woher nimmst du die Gewissheit?«, fragte Avi.
    »Ich habe meine Spione, auf die ich mich verlasse. Glaube mir, Avi. Die Feindseligkeiten zwischen uns haben gerade erst begonnen.«
    Einen Moment lang sah Avi sie weder als seine Mutter noch als Königin, sondern als Befehlshaberin einer Armee, die nicht nur Burgmauern stürmen, sondern ein ganzes Reich schützen konnte. Wieder kehrte Schweigen ein, nur dass es sich diesmal am ganzen Tisch ausbreitete. Plötzlich hatte Avi den Eindruck, dass alle Gäste sie anstarrten – die Königin und ihren Sohn.
    Wieder läutete das Glöckchen. Arethusa ging zu einem anderen Tisch, Hannah zu einem dritten, so dass Avi erneut allein in der Menge zurückblieb.

    Alles in der Krankenstation war klein, als ob man den gesamten Flügel des Palasts auf Elfengröße umgebaut hätte. Die Krankenschwestern jedoch waren alle mindestens so groß wie Avi, der die Oberschwester fragte, ob sie das ständige Bücken nicht leid sei.
    »Das sind heilende Wände«, erklärte sie und neigte den Kopf zur Seite wie ein Vogel. Mit ihrem ruckartigen Gang und ihren leuchtenden Knopfaugen ähnelte sie einem solchen auch ein wenig, und ihr langes Haar erinnerte an Gefieder. »Je näher die Wände an den Patienten sind, desto schneller werden sie wieder gesund. Das solltest du doch am besten wissen, junger Herr.«
    Die Oberschwester trug wie McNemosyne ein auffälliges Namensschild.
    McPanacea – Muse allen Heilens, Oberschwester, stand darauf.
    »Du kennst nicht zufällig eine Muse namens McNemosyne, oder?«, erkundigte sich Avi.
    »Aber natürlich«, antwortete McPanacea. »Sie ist meine Schwester.«
    »Ihr seht euch aber nicht sehr ähnlich.«
    »Sie hat mehr von unserer Mutter. Deine Freundin liegt hinten auf der Station. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest. Ich muss meine Runde machen.«
    Geduckt wie die Krankenschwestern durchquerte Avi die winzige Station. Brucies Bettchen stand in der Ecke. Da es keinen Stuhl gab, ließ er sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder.
    Brucie lag zusammengerollt auf der Seite unter einer hauchzarten Decke. Ihr Rücken war dick verbunden. Sie hatte zwar die Augen offen, starrte aber ins Leere.
    »Ich wollte dich schon früher besuchen«, begann Avi. Brucie schwieg. Als er sich vorbeugte, stieß er mit dem Ellbogen an die Bettkante.
    »Trampel«, sagte Brucie.
    »Versuch du mal, dich in einen Schuhkarton zu zwängen.«
    »Ich war schon in sehr bequemen Schuhkartons, vielen Dank.«
    War das ein Lächeln auf ihrem Gesicht?
    »Geht es dir einigermaßen?«, fragte Avi.
    »War schon mal besser.« Brucie rollte sich auf den Rücken, zuckte zusammen, überlegte es sich anders und wälzte sich wieder auf die Seite. »Verdammte Verbände. Du hast ja keine Ahnung.«
    Avi wollte sie daran erinnern, dass er einige Tage von Kopf bis Fuß eingegipst in einem Krankenhaus der Sterblichen verbracht hatte, verkniff es sich aber. »Tut mir leid«, meinte er nur. »Hast du noch Schmerzen?«
    »Nicht so schlimm. Nur manchmal nachts. Allerdings nicht auf dem Rücken, wo die Wunden sind, sondern an den Flügelspitzen. Und wenn ich sie dann reiben will, fällt mir ein, dass sie nicht mehr da sind.«
    »Werden sie nachwachsen?«
    »Mit ein wenig Glück, ja. Aber man kann nicht sicher sein.«
    »Warum haben sie sie abgeschnitten?«
    »Sie kochen sie ein. Reduzieren nennen sie das. Daraus gewinnen sie den Elfenzauber, und Kellen trinkt ihn dann. Auf diese Weise erzeugt er die blauen Flammen und wechselt zwischen den beiden Welten. Er fliegt auf Elfenflügeln.« Mit schmerzverzerrtem Gesicht setzte Brucie sich ein Stück auf. »Und jetzt erzähl mir, was passiert ist, seit ich hier herumliege. Ich will alle Gerüchte hören.«
    Anfangs glaubte Avi, dass es nicht viel zu berichten gab. Schließlich war er erst seit zwei Tagen hier, hatte seine Mutter dreimal gesehen und war die restliche Zeit mit Hannah auf dem Gelände spazieren gegangen. Von den Palastintrigen hatte er keine Ahnung. Doch beim Reden bemerkte er, dass er mehr wusste, als ihm klar gewesen war.
    »Sie räumen die Menagerie«, meldete er.
    »Was geschieht mit den Tieren?«, fragte Brucie.
    »Ich bin nicht sicher. Einige wurden in die Stallungen des Palasts gebracht. Und Arethusa – also, meine Mutter – hat hier genau so eine Schmiede wie Kellen im Turm. Dort wird rund

Weitere Kostenlose Bücher