Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
recht und billig, dass du auch regierst. Nur sehr wenige Ältere werden sich dir in den Weg stellen. Sogar Isis und Osiris kommen heute Abend. Sie werden unsere Sache unterstützen.«
Anubis blickte sich um. In diesem Palast war er mit seinem Bruder aufgewachsen und in diesem Raum hatten sie mehr Zeit verbracht als in jedem anderen Teil des Hauses. Es war die Bibliothek ihres Vaters. Die langen Steinregale quollen über von Büchern und den Schätzen aus hundert Schattenreichen, während sich auf Tischen und in Schubladen Fragmente schriftlicher Aufzeichnungen, Schnipsel und vage Hinweise auf die frühe Geschichte der Erde stapelten. In diesem Raum hatte sein Bruder Aten seine Faszination für die Vergangenheit entdeckt.
»Muss ich ihn wirklich umbringen?«, fragte er unvermittelt.
»Wen?«
»Meinen Bruder.«
Bastet trat vom Fenster zurück. In der Ferne war das Geschrei einer Menschenmenge zu hören und es ging ihr langsam auf die Nerven. Wo waren die Wachen? Warum hörte sie nicht die typischen Schreie, wenn die Menschen auseinandergetrieben wurden?
»Nein, du wirst Aten nicht selbst umbringen müssen«, versicherte sie. »Du wirst einfach nur sein Todesurteil unterschreiben. Dann stößt ihn jemand anders in den Vulkan.« Sie musterte ihren Sohn von oben bis unten und nickte zufrieden. »Die schwarze Rüstung steht dir gut.«
Anubis trug eine reich verzierte schwarze Rüstung. Jedes Gelenk und jeder Rand war rot eingefasst. Die Nieten sahen wie Blutstropfen aus.
»Ich war mir nicht sicher bei der Farbe«, sagte er. »Entweder das oder violett. Aber da meine Haut schon anfängt sich zu verändern, hielt ich rot und schwarz für effektvoller.«
»Violett hätte sich mit deinem jetzigen Hautton gebissen«, stimmte Bastet ihm zu.
Beschaffenheit und Farbe von Anubis’ ehemals kupferfarbener Haut zeigten erste Spuren des Wandels. An einigen Stellen war sie kohlschwarz und von winzigen roten Äderchen durchzogen. Eine Hand hatte sich bereits zu einer Klaue verformt und der Knorpel beider Ohren begann sich zu verdicken und nach oben zu wachsen.
»Was soll ich bei der Ratsversammlung sagen?«, fragte er.
»So wenig wie möglich. Du gibst den starken Schweiger. Ich spreche für dich.«
Die Geräusche im Hintergrund schwollen an und in den Straßen und Gassen auf der anderen Seite des Kanals wimmelte es plötzlich von Menschen. Alle brüllten sie Atens Namen. Einige trugen Stöcke oder Besen, ein paar wenige lange Messer. Die meisten waren jedoch unbewaffnet.
Anubis folgte seiner Mutter zurück zum Fenster. »Sie verlangen nach ihrem Anführer.« Die Menge war ungefähr hundert Mann stark und auf den Brücken standen mindestens doppelt so viele schwer bewaffnete Wachen.
»Dein Bruder war schwach«, fauchte Bastet. »Er hat die Humani fast schon als uns ebenbürtig angesehen, dabei sind sie nur wenig besser als Tiere. Nur weil er die Sklaverei abgeschafft hat, halten sie ihn für ihren Erlöser. Jetzt schau dir an, wozu seine Schwachheit geführt hat. Sie mucken auf und brennen die Stadt nieder.« Verwundert schüttelte sie den Kopf. »Glauben sie im Ernst, sie könnten uns mit ihrem Auftritt zwingen, ihn freizulassen?«
Von Brandstellen überall in der Stadt stieg Rauch auf.
»Meine Offiziere machen Meldung, dass Hunderte zum Gefängnis strömen«, berichtete Anubis. »Es soll sogar Angriffe auf Anpu gegeben haben und ich habe von Unruhen in den Humani-Ghettos gehört. Auf dem Marktplatz ging heute das Gerücht, ein Humani habe ein Dutzend Wachen besiegt und den Kanal überquert.«
»Lächerlich!«
»Was werden die Humani tun, falls wir Aten tatsächlich töten?«, fragte Anubis.
»Ein paar Tage lang wütend herumrennen. Sollen sie doch ihre Holzhütten und die Getreidespeicher niederbrennen. Wenn ihnen kalt wird und sie der Hunger plagt, kommen sie schon wieder zu Vernunft. Und wenn du hier der Herrscher bist, erwarte ich, dass du hart gegen dieses unloyale, faule Gesindel durchgreifst.«
»Ich hoffe, ich werde ein guter Herrscher«, sagte Anubis ernst.
»Natürlich wirst du das«, blaffte Bastet. »Du wirst genau das tun, was ich sage.«
»Ja, Mutter.«
KAPITEL VIERZIG
M ars, Odin und Hel bereiteten sich auf ihren letzten Kampf in den Fluren von Alcatraz vor.
»Es sind einfach zu viele!«, rief Mars. Der Ältere stand auf einem Flur einem Heer Moosmenschen gegenüber. Sie waren kleinwüchsig und hatten eine Haut wie Baumrinde, überzogen von einer dicken Moosschicht. Ihre Waffen waren tödlich,
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