Die geheimnißvolle Insel
Rückfahrt so heftig überfielen, ganz ausgezeichnet bewährt hat.
– Könnte man es im Flusse selbst nicht flott erhalten?
– Das ginge wohl an, Herr Cyrus, doch die Mündung desselben bietet keinerlei Schutz, und bei steifem Westwinde möchte der Bonadventure von dem Seegange schwer zu leiden haben.
– Nun, und wo gedenken Sie ihn unterzubringen, Pencroff?
– Im Ballonhafen, antwortete der Seemann. Diese kleine, von Felsen umschlossene Bucht erscheint mir als der geeignetste Ankerplatz.
– Ist er nicht etwas entfernt?
– Ei, er liegt nur drei Meilen vom Granithause, und wir besitzen eine ganz gerade Straße dahin.
– Thun Sie nach Gefallen, Pencroff, sagte der Ingenieur, und bergen Sie den Bonadventure; immerhin sähe ich es lieber, wenn er unmittelbar unter unseren Augen läge. Wenn wir die Zeit erübrigen, werden wir für ihn hier einen künstlichen Hafen anlegen müssen.
– Famos! rief Pencroff. Einen Hafen mit Leuchtthurm, Molo und Trockendocks! Wahrlich, mit Ihnen, Herr Cyrus, ist Nichts zu schwierig.
– Ja, mein wackerer Pencroff, antwortete der Ingenieur, freilich unter der Bedingung, daß Sie mir beistehen, denn drei Viertel der Arbeit führen Sie doch stets allein aus!«
Harbert und der Seemann schifften sich also auf dem Bonadventure wieder ein, lichteten den Anker, hißten ein Segel, und schnell trieb sie der landeinwärts wehende Wind nach dem Krallen-Cap. Zwei Stunden später ruhte das Schiff in dem stillen Gewässer des Ballonhafens.
Hatte der Unbekannte nun nach einigen Tagen seines Aufenthaltes im Granithause schon eine Abnahme der Wildheit seiner Natur wahrnehmen lassen? Leuchtete ein hellerer Schimmer auf dem Grunde dieses umwölkten Geistes? Zog die Seele wieder in den Körper ein? Ja, gewiß; Cyrus Smith und der Reporter legten sich sogar die Frage vor, ob wohl die Vernunft des Unglücklichen überhaupt je ganz erloschen gewesen sei.
Zuerst schäumte in Jenem, gewiß in Folge der Gewöhnung an die frische Luft und unbeschränkte Freiheit auf der Insel Tabor, manchmal eine dumpfe Wuth auf, so daß man wohl befürchten konnte, er werde sich bei Gelegenheit durch ein Fenster des Granithauses auf den Strand hinabstürzen: Nach und nach beruhigte er sich aber wieder und konnte man ihm die volle Freiheit seiner Bewegungen gewähren.
Bald schöpfte man weitere Hoffnung Schon legte der Unbekannte seine Raubthiergewohnheiten ab, nahm eine minder thierische Nahrung zu sich, als die, welche er von der Insel Tabor her gewöhnt war, und das gekochte Fleisch erregte in ihm nicht mehr den Widerwillen, den er an Bord des Bonadventure zuerst zu erkennen gab.
Cyrus Smith benutzte einen Augenblick, während er schlief, um ihm Bart und Haar zu kürzen, welche ihn wie eine Mähne umgaben und das Abschreckende seines Anblicks vermehrten. Nachdem man ihm den Fetzen, den er trug, abgenommen, wurde er auch besser bekleidet Dank dieser Fürsorge gewann der Unbekannte wieder ein menschliches Aussehen, und schien es sogar, als nähmen seine Augen einen sanfteren Ausdruck an. Als er noch im Vollbesitz seiner Geisteskräfte war, konnte das Gesicht dieses Mannes nicht unschön gewesen sein.
Tag für Tag versuchte Cyrus Smith ihn einige Stunden in seine Nähe zu bannen Er beschäftigte sich neben Jenem mit verschiedenerlei, um dessen Aufmerksamkeit wach zu halten Vielleicht komite ein Gedankenblitz hinreichen, diese Seele wieder zu erleuchten, vielleicht eine Erinnerung diesem Gehirne die Vernunft wieder zuführen. Während des Sturmes hatte man an Bord des Bonadventure das Beispiel gesehen!
Gleichzeitig befleißigte sich der Ingenieur auch stets, recht vernehmlich zu sprechen, um durch die Organe des Gehörs und Gesichtes die schlummernde Intelligenz anzuregen. Abwechselnd schloß sich der Eine oder der Andere seiner Gefährten noch ihm an. Meist plauderten sie dann über Gegenstände aus dem Seewesen, welche einem Seemanne doch geläufiger sein mußten Stellenweise verrieth der Unbekannte eine flüchtige Aufmerksamkeit auf das Gespräch, und bald gewannen die Colonisten die Ueberzeugung, daß er sie verstehe Manchmal flog über seine Züge, die jetzt schwerlich täuschen konnten, der Ausdruck eines tiefen, inneren Leidens, aber er sprach nicht, obwohl es wiederholt schien, als wollten seinen Lippen einige Worte entschlüpfen
Wie dem auch war, das arme Wesen blieb traurig und ruhig Sollte diese Ruhe nur scheinbar sein? Seine Traurigkeit nur die Folge seiner einsamen Gefangenschaft? Das ließ sich
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