Die geheimnißvolle Insel
als befände man sich in einer Polargegend, konnten sich weder Cyrus Smith noch seine Gefährten, trotz der größten Luft dazu, hinauswagen, und fünf Tage lang, vom 20. bis zum 25. August, blieben sie eingeschlossen. Im Jacamar-Walde hörte man den Sturmwind wüthen, der wohl so manches Unheil anrichten mochte. Ohne Zweifel fielen ihm nicht wenig Bäume zum Opfer, doch tröstete sich Pencroff damit, daß sie dann der Mühe des Fällens überhoben wären.
»Der Wind dient uns als Holzfäller, lassen wir ihn gewähren«, wiederholte er mehrmals.
Man hätte ja auch kein Mittel gehabt, ihm zu wehren.
Wie dankten die Bewohner des Granithauses dem Himmel, der ihnen ein so festes, unerschütterliches Obdach verliehen hatte! Cyrus Smith kam gewiß ein wohlverdienter Antheil dieses Dankes zu, immerhin war diese ganze Höhle aber doch ein Werk der Natur, das er ja nur entdeckte. Da fühlten sie sich Alle in Sicherheit und konnte kein Windstoß sie treffen.
Sicher vor Sturm und Wetter. (S. 231.)
Hätten sie auf dem Plateau der Freien Umschau etwa ein Haus aus Holzwerk und Ziegelsteinen erbaut, der Wuth dieses Orkans würde es schwerlich Widerstand geleistet haben. Die Kamine, an welchen sich die empörten Wellen brachen, erschienen unter solchen Verhältnissen völlig unbewohnbar. Im Granithause dagegen, das mitten in dem Gebirgsstock lag, hatten sie nichts zu befürchten.
Der Wasserfall im Winter. (S. 234.)
Während der Tage ihrer unfreiwilligen Einschließung blieben die Colonisten nicht unthätig. An Holz in Form von Brettern fehlte es im Magazin nicht, und so vervollständigte man nach und nach das Mobiliar, bezüglich der Tische und Stühle, welche, da man das Rohmaterial nicht schonte, ziemlich handfest ausfielen. Diese etwas schwerfälligen Möbel machten ihrem Namen nicht so besondere Ehre, da die Beweglichkeit ein so wesentliches Erforderniß derselben ist; sie waren aber der Stolz Nab’s und Pencroff’s, die sie beide nicht gegen die schönsten gebogenen Möbel vertauscht hätten.
Später wurden die Tischler zu Korbmachern und erzielten in diesem neuen Zweige recht ansehnliche Resultate. An der nach Norden zu ausspringenden Seespitze hatte man nämlich schon früher ein ausgedehntes Gebüsch sogenannter Purpur-Weiden aufgefunden. Vor der Regenzeit brachten Pencroff und Harbert eine beträchtliche Menge dieser biegsamen Zweige heim, die nun, passend zubereitet, ihre Verwendung finden sollten. Die ersten Versuche fielen zwar ziemlich plump aus, doch Dank der Geschicklichkeit der Arbeiter, welche sich mit gegenseitigem Rathe unterstützten und früher gesehener Modelle erinnerten, entstanden bald, da immer Einer den Anderen übertreffen wollte, eine große Anzahl verschiedener Hand-und Lastkörbe, die das Material der Colonie vergrößerten. Nab bewahrte nun in besonderen Körben seine Vorräthe an Wurzelknollen, Pinienzapfen und Drachenbaumwurzeln.
In der letzten Hälfte des August änderte sich die Witterung noch einmal. Mit dem Nachlassen des Sturmes sank die Temperatur allmälig. Die Colonisten eilten hinaus. Auf dem Strande lag der Schnee wohl zwei Fuß tief, auf seiner erhärteten Oberfläche konnte man jedoch ohne große Mühe gehen.
Cyrus Smith und seine Begleiter bestiegen das Plateau der Freien Umschau.
Welche Veränderung! Das Gehölz, das sie zuletzt noch in grünem Gewande erblickt, vorzüglich an den Stellen, wo die Kiefern vorherrschten, erschien jetzt in gleichmäßig weißer Farbe, Alles vom Gipfel des Franklin-Berges an bis zur Küste, Wälder, Wiesen, Sec und Fluß! Das Wasser der Mercy floß unter einer Eiskruste, die bei jedem Wechsel von Ebbe und Fluth zerbarst Zahllose Vögel schwärmten über der festen Oberfläche des Sees umher. Die Felsen, zwischen denen der Wasserfall vom Plateau herabstürzte, erschienen mit Eiszapfen besetzt, so daß es den Anschein gewann, als fließe er aus einer schmucküberladenen Dachrinne, an die ein Künstler der Renaissance-Periode all seine Phantasie verschwendet habe. Der Schaden, den der Orkan im Walde angerichtet, ließ sich jetzt nicht wohl schätzen und mußte man damit warten, bis die Winterdecke hinweg geschmolzen war.
Gedeon Spilett, Pencroff und Harbert unterließen nicht, ihre Fallgruben zu untersuchen. Unter dem dicken Schnee fanden sie dieselben nicht gerade leicht und mußten sich in Acht nehmen, nicht selbst in eine solche zu fallen, was ohne den Spott der Anderen nicht abgegangen wäre. Sie vermieden das
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