Die geheimnißvolle Insel
aus dem Tode zu einem neuen, höher organisirten Leben zu erwachen! Alles das, meine Freunde, ist aber das alleinige Geheimniß des Schöpfers aller Dinge, und ich habe mich wohl von dieser Arbeit der Infusorien etwas zu weit fortreißen lassen.
– Mein lieber Cyrus, antwortete Gedeon Spilett, diese Theorien gelten für mich als Prophezeihungen und werden eines Tages in Erfüllung gehen.
– Das weiß nur Gott, entgegnete der Ingenieur.
– Es ist Alles ganz gut und schön, ließ sich da Pencroff vernehmen, aber können Sie mir auch noch sagen, Mr. Cyrus, ob die Insel Lincoln von Infusorien aufgebaut worden ist?
– Nein, erwiderte Cyrus Smith, sie ist rein vulkanischen Ursprungs.
– Demnach wird sie eines Tages auch mit untergehen?
– Sehr wahrscheinlich.
– Ich hoffe, daß wir dann nicht mehr hier sind.
– O nein, darüber können Sie ruhig sein, Pencroff, denn wir haben keine Luft, hier zu sterben, und werden doch einmal Gelegenheit finden, wieder wegzukommen.
– Inzwischen, meinte Gedeon Spilett, richten wir uns wie für die Ewigkeit ein. Man muß Nichts zur Hälfte thun!«
Hiermit endete die Unterhaltung. Das Frühstück war vorüber; die Colonisten zogen weiter und gelangten nach der Grenze der sumpfigen Gegend.
Dieselbe mochte bis zu dem abgerundeten Seeufer im Südosten wohl zwanzig Quadrat-Meilen einnehmen. Der Boden bestand aus lehmigthonigem, mit vielen Pflanzenresten untermischtem Schlamme. Wie ein dichter Sammet bedeckten ihn Wassermoose, Binsen und Teichlinsen, nur einige wasserreiche Stellen freilassend, in welchen sich die Sonne wiederspiegelte. Diese Wasserbecken konnten weder durch den Regen, noch durch vorübergehendes Hochwasser eines Flusses angefüllt worden sein und verdankten ihre Entstehung offenbar nur Bodeninfiltrationen, auch legten sie die Befürchtung nahe, daß sie während der Sommerhitze die Luft mit jenen verderblichen Miasmen schwängerten, welche die Ursachen der Sumpffieber sind.
Ueber den Wasserpflanzen wimmelte an der Oberfläche der stehenden Gewässer eine ganze Welt von Vögeln. Bei einer Wasserjagd wäre hier wohl kein Schuß verschwendet gewesen. Wilde und langgeschwänzte Enten und Becassinen flatterten in ganzen Gesellschaften umher und ließen sich, da sie nicht scheu waren, leicht nahe kommen. Ein einziger Schrotschuß hätte gewiß einige Dutzend erlegen müssen, so dicht waren ihre Schwärme. Freilich mußte man sich jetzt begnügen, sie mit Pfeilen zu schießen.
War der Erfolg dabei auch nur ein geringerer, so hatte das Verfahren doch den Vortheil, die anderen weniger zu erschrecken, die auf einen Flintenschuß wohl nach allen Seiten auseinander gestoben wären.
Die Jäger nahmen also für diesmal mit einem Dutzend Enten vorlieb. An ihrem weißen Körper mit zimmtsarbenem Gürtel, dem grünen Kopfe, den schwarzen, weißen und rothen Flügeln und dem abgeplatteten Schnabel erkannte sie Harbert sofort als »Tadorne« (sogenannte Fuchs-oder Brandenten). Top half bei dem Fange der Vögel redlich mit, deren Namen man der Umgegend beilegte, die für die Colonisten eine reiche Vorrathskammer von Wassergeflügel bildete. Später gedachte man diese ernster auszubeuten, und vielleicht ließen sich einige Arten jener Vögel wenn nicht zähmen, so doch in den Umgebungen des Grants-Sees ansiedeln, wodurch sie den Consumenten bequemer erreichbar wurden.
Um fünf Uhr Abends schlugen Cyrus Smith und seine Gefährten den Rückweg ein, überschritten die »Tadorne-Sümpfe« und die Eisdecke der Mercy, so daß um acht Uhr Alle im Granithause glücklich zurück waren.
Zweiundzwanzigstes Capitel.
Die Fallen. – Die Füchse. – Die Bisamschweine. – Nordwestwind. – Ein Schneesturm. – Die Korbmacher. – Größte Winterkälte. – Die Krystallisation des Ahornzuckers. – Der geheimnißvolle Schacht. – Eine projectirte Nachforschung. – Das Schrotkörnchen.
Die strenge Kälte hielt bis Mitte August an, ohne jedoch noch heftiger zu werden. Bei ruhiger Luft war diese Temperatur zwar erträglich, wenn sich aber Wind erhob, mochte sie so mangelhaft gekleideten Leuten wohl recht empfindlich werden. Pencroff bedauerte herzlich, daß die Insel nicht einige Bärenfamilien beherberge, an Stelle jener Robben und Füchse, deren Felle doch Vieles zu wünschen übrig ließen.
»Die Bären, meinte er, sind gewöhnlich gut bekleidet, und ich verlange ja nicht mehr, als den Winter über den warmen Pelz zu leihen, den sie auf dem Leibe tragen.
– Sie möchten aber wohl
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