Die geheimnisvolle Limousine
Ich wollte in meinem
Landhaus ohne Schlüssel auskommen."
Sojas Mutter schenkte dem Gast ein zweites Glas Tee ein.
„Und wie kommen Sie selbst ins Raus?" fragte sie und
fuhr lächelnd fort: „Müssen Sie auch hupen? Ein Schlüssel
ist am Ende doch einfacher?"
1 Gerät für akustische Messungen.
57
„Meine Sachen kennen mich", parierte Bobrow diesen
Scherz. „Sie geben sich Mühe — wenn man so sagen
darf —, mir gefällig zu sein, bevor ich erst hinschaue.
Aber hier handelt es sich um keine Spielerei, es ist
äußerst praktisch. Sie können Soja fragen."
Soja lachte.
„Das bestätige ich gern. Nachdem ich Ihr Landhaus
kennengelernt habe, fehlt mir etwas in unserer Wohnung.
Gehe ich zum Bücherschrank, so öffnet er sich nicht von
selbst. Verlasse ich das Zimmer, löscht das Licht nicht
aus. Und bisher hatte ich geglaubt, daß unsere Wohnung
sehr bequem eingerichtet sei."
Das Gespräch nahm einen scherzhaften Charakter an, es
wurde viel gelacht. Rasch verflog die Zeit, und Bobrow
begann sich zu verabschieden. Da erinnerte sich Soja
plötzlich an das, was sie den ganzen Tag über am meisten
beunruhigt hatte.
„Die wichtigste Frage haben Sie mir noch nicht beant-
wortet", rief sie. „Wie verhält es sich mit der Uhr?"
„Sie meinen die Zeitansage? Diese Frage ist etwas
schwieriger zu beantworten."
Bobrow stand mitten im Zimmer. Er hielt den Hut in der
Hand und drehte an der Krempe.
„Aber ich werde mich kurz fassen. Sie wissen, daß die
Arbeit des Gehirns von feinsten elektrischen Prozessen
begleitet ist. Die Wissenschaftler haben gelernt, mit Hilfe
von Spezialgeräten die elektrischen Schwingungen im
Gehirn zu registrieren und diese Angaben zur Feststel-
lung von Nervenerkrankungen auszuwerten. Natürlich
können die elektrischen Schwingungen im Gehirn die
überaus komplizierten Gefühle und Gedanken des Men-
schen nicht widerspiegeln. Die Tätigkeit des Gehirns ist
58
zu kompliziert und vielseitig, als daß sie allein durch
elektrische Erscheinungen erfaßt werden könnte. Aber in
einigen einfachen Fällen ist es doch möglich, diese elek-
trischen Schwingungen auszunützen. Will der Mensch
wissen, wie spät es ist, wird im Gehirn ein bestimmter
Reflex ausgelöst. Es gelang mir, die mit diesem Gedanken
verbundenen elektrischen Schwingungen aus dem Chaos der
elektrischen Ströme im Gehirn zu trennen. Alles übrige
war einfach. Einen Spezialempfänger zu konstruieren, der
nur diese Signale aufnahm, sie verstärkte und den Mecha-
nismus einer gewöhnlichen sprechenden Uhr' in Gang
setzte, war eine Frage der Technik. Solche Sachen zum
Kopfzerbrechen habe ich gern. Sie interessieren mich wie
andere Menschen komplizierte Schachaufgaben..."
Unwillkürlich schaute Soja voller Achtung auf die große
Gestalt des Ingenieurs. Sie erinnerte sich an den jungen
Dienstleiter in der Verwaltung der automatischen Kraft-
werke. Ja, das sind sie, die Vertreter der sowjetischen
Technik, das ist die neue Generation Ingenieure! Für sie
gibt es nichts Unmögliches. Eine Frage der Technik! Wenn
es notwendig ist, richten sie eine automatische Nothilfe
ein und zwingen die Maschinen, der menschlichen Stimme
zu gehorchen, wenn es nur zweckdienlich ist und den
Menschen von mechanischer Arbeit erlöst, damit er frei
wird für schöpferische Aufgaben. „Der Mensch ist der
Sklave der Maschine", verkündeten manche Intellektuelle
der kapitalistischen Welt. „Die Maschine versklavt den
Menschen!" — „Hinweg mit den Maschinen!" Aber die
sowjetischen Menschen verwandeln die Maschinen in ge-
horsame Diener des Menschen. Soja war so in Gedanken
versunken, daß sie nicht merkte, daß Bobrow sich von
ihren Eltern und Brüdern verabschiedet hatte.
59
„Bitte entschuldigen Sie nochmals, daß ich Sie bei mir
warten ließ", sagte er und reichte ihr seine kräftige Hand.
„Würden Sie mich bitte noch einmal in meinem Landhaus
besuchen — mit Ihrer Familie? Alle sind einverstanden,
nur Ihre Zusage fehlt mir noch."
„Gern", antwortete Soja. „Man wird nicht jeden Tag in
ein verzaubertes Haus eingeladen."
Die ganze Familie begleitete Ingenieur Bobrow hinaus.
Vor der Einfahrt stand die grüne Limousine, die Soja
heute so viel Kopfzerbrechen verursacht hatte.
„Und woran arbeiten Sie jetzt?" fragte sie den Ingenieur.
„Darüber zu sprechen, ist noch zu früh." Bobrow lächelte
vielsagend. „Aber wenn die Arbeit beendet ist und man
darüber schreiben kann, so
Weitere Kostenlose Bücher