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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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war auf einer Terrasse angerichtet, die mit bemalten Fliesen ausgelegt war. Darüber lagen mehrere Teppiche. Trotz der friedlichen Schönheiten trug Abu Lahabs Gesicht den Ausdruck mürrischen Grolls. Nadschib, der seinen Herrn und Freund länger als eineinhalb Jahrzehnte kannte, wusste Abu Lahabs Laune sogleich einzuschätzen.
    »Die rechte Fröhlichkeit, Feinschmied zahlloser Schwerter, weilt seit etlichen Tagen nicht in deinem Herzen. Oder irrt mein trunkener Blick?«, sagte er nach einer Weile, in der er Lahab beim Essen zugesehen hatte.
    »Du irrst wahrlich nicht«, sagte Lahab. »Verschiedene Dinge sind mir wie Sandkörner in beiden Augen. Sie stören; bald werden sie zu schmerzen anfangen.«
    Es handelt sich wohl um die Ungläubigen und wahrscheinlich auch um seinen Sohn, dachte Nadschib und goss behutsam Wein in eine Schale. Aber immer ging es auch um Lahabs verworrene Träume von Reichtum, Macht und Einfluss. Er nippte am kräftigen Wein und fragte weiter.
    »Wie viele Sandkörner sind es denn?«
    »Mindestens zwei dieser Misslichkeiten, Allah verdamme sie, rufen meinen Ärger hervor. Oder vielleicht sind es auch drei.«
    »Wenn du mir erzählst, was dich ärgert, kann ich dir vielleicht einen Rat geben, Lahab.« Nadschib setzte sich bequemer hin und breitete auffordernd die Arme aus. »Ich werde nicht mit deinen Schmieden und Blasebalgtretern über deinen Ärger reden.«
    »Nun«, begann Abu Lahab überraschend bereitwillig, »es geht um ein Haus im Jüdischen Viertel. Dort lebt seit einiger Zeit ein seltsames Dreigespann. Es sind ältere Männer – ein Jude, ein Muslim und ein Christ. Zwei Ungläubige und ein Muslimbruder. Sie sind offensichtlich Freunde, oder befreundet, und streiten sich nie. Und eine Hausmagd gibt es auch dort, ebenfalls eine Ungläubige.«
    »Was stört dich daran, Freund Lahab? Diese Ungläubigen sind, wie jedermann weiß, nicht die Einzigen in dieser Stadt. Viele Ungläubige arbeiten für uns Muslime. Und es gibt viele Händler anderen Glaubens, ohne die es schwer wäre, an Gold, Stoffe oder Edelsteine zu kommen.«
    »Aber ich kenne die Art dieser Fremden zur Genüge. Die Haushälterin«, er machte eine wegwerfende Bewegung mit der Rechten, »ist alt und nicht weiter von Interesse. Der Jude ist ein Gelehrter, er zahlt die Kopfsteuer. Der große, kräftige Mann, der wie ein Löwe zu kämpfen weiß, das ist das Sandkorn in meinem rechten, gläubigen Auge.«
    »Hat er dich beleidigt, bestohlen oder dir geschadet?«
    »Ich wache nachts voll Grimm auf und denke an ihn. Ist das Schaden genug?«
    Nadschib ben Sawaq blickte in Abu Lahabs bärtiges Gesicht. Die schwarzbraunen Augen unter den schweren Lidern huschten unstet umher. Abu Lahab verschwieg ihm etwas. Es hatte wenig Sinn, tiefer in ihn zu dringen; wenn er nichts sagen wollte, schwieg er beharrlich. Wahrscheinlich passten die Fremden nicht in seinen Traum von einem Reich, über das Emir Abu Lahab gebot.
    »Das ist ein unzureichender Grund, auch wenn dein Grimm groß ist.«
    »Es muss etwas gegen diese Ungläubigen unternommen werden. Ich spreche nicht von töten. Aber von Vertreibung. Sie haben in Al Quds nichts zu suchen. Und ich habe das eine oder andere veranlasst, damit sie gehen.«
    Nadschib legte den Kopf schräg und betrachtete seine Finger, als könne er von ihnen Antworten auf alle Fragen erhalten.
    »Und mein Sohn Suleiman, eigentlich das Licht meiner Augen, ist ein weiteres Sandkorn in meinem entzündeten Augapfel.«
    »Dein Sohn?« Nadschib war ernsthaft überrascht. »Der Erbe deiner vieltausend Schwerter? Der Spross deiner tüchtigen Lenden?«
    »So ist es.« Abu Lahab packte einen silbernen Krug, setzte ihn an die Lippen und trank hastig. Die Tropfen des tiefroten Weins rannen durch seinen Bart. Nadschib nickte bedächtig. Suleiman war von Abu Lahab zwar als Schmied ausgebildet worden, aber sein Interesse galt eher den Schriften und den Wissenschaften. Gleichwohl war er der Liebling aller Haussklavinnen und Dienerinnen.
    »Was hat er getan, dass deine Leber schwillt und dein Zorn überkocht wie Reis im Topf?«
    Abu Lahab wühlte in seinem Bart und betrachtete seine geröteten Finger, als habe er in dampfendes Blut gegriffen.
    »Er ist im Liebestaumel!«
    »Das, o Freund, ist uns fremd geworden. Erinnere dich!«, wagte Nadschib zu erwidern. Mühsam unterdrückte er ein Gelächter. »Als wir jung waren, Allah bewahre unsere Erinnerungen, taumelten wir auch, wenn uns ein Blick aus den flammenden Kirschenaugen einer

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