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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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zu kleines, dann ein zu großes Paar anzog, schließlich aber ein drittes, das zu passen schien.
    Die Auswahl war groß, und der Kauf dauerte ziemlich lange. Immer wieder rannte entweder Sean oder Suleiman auf die Gasse hinaus und lief probeweise ein paar Dutzend Schritte. Zu guter Letzt hatte jeder sicherlich fünfzehn verschiedene Paar Schuhe ausprobiert. Doch dann fand Sean ein Paar, bei dem sich Leder und Stoff wie ein dünner Handschuh um seinen Fuß schmiegten, und sagte erleichtert: »Das sind die Besten. Diese nehme ich und keine anderen.«
    Suleiman betrachtete die Schuhe aus dunkelbraunem Leder, schwarzem Stoff und blauen Bändern prüfend, drückte und zog, presste und zerrte und nickte schließlich zufrieden.
    »Du hast, was du brauchst. Ich noch nicht. Lass mich über den Preis reden; ich kann recht gut feilschen. Hab ich von Abu… meinem Vater, gelernt.«
    »Ihn würde ich es auch gerne lehren«, antwortete Sean mit einem hoffnungsvollen Grinsen. Er wartete, bis auch Suleiman das richtige Paar gefunden und der Schuhmacher seinen Korb wieder beiseite gestellt hatte.
    Und dann begann Suleiman zu handeln. Der Meister und er schienen, so glaubte Sean zuerst, sich erbittert zu streiten, aber schließlich klatschten beide in die Hände. Suleiman zahlte und hielt Sean die offene Hand hin. Sean zählte ungefähr so viele Münzen hinein, wie er in Suleimans Hand zuvor gesehen hatte. Der Schuhmacher gab ihnen noch einen Stoffsack, in dem sie ihre alten Schuhe davontragen konnten, und rief ihnen noch eine ganze Reihe Heil-und Segenswünsche hinterher, die Sean bereits zum größten Teil verstand.
    In einer Seitengasse des Basars, die kaum drei Ellen breit war, zog Suleiman seinen christlichen Freund in einen Hauseingang hinein, der kaum als solcher zu erkennen war. An Dutzenden hölzerner Stangen und Haken hingen rechts und links und über dem Eingang alle vorstellbaren Kleidungsstücke in vielen Farben und Mustern. Es waren Hunderte; Tücher, Streifen, Wamse und Hemden, Hosen und Schleier, Burnusse und anderes, das Sean nicht auf Anhieb erkannte. Die Stoffe raschelten sich wie ein Vorhang, als sich die beiden Männer bückten und ins Innere des Ladens traten.
    »Was tun wir denn hier?«, erkundigte sich Sean verwirrt. »Ich dachte, wir haben alles, was wir brauchen.«
    »Wir brauchen mehr, als wir haben«, beschied ihm Suleiman, der genau zu wissen schien, was er suchte. »Wart’s ab, Sean.«
    Kaum waren sie eingetreten, wieselte ein kleiner, rundlicher Araber in Burnus und mit Turban aus dem Hintergrund der Nähwerkstatt und schrie aufgeregt: »As-Salaam aleykum, o ihr missgekleideten jungen Fürsten. Ihr findet hier alles…«
    Suleiman hielt ihn mit dem Gegengruß und ausgestreckten Händen auf und sagte: »Schwarz mit blauem Saum.«
    Im Hintergrund der schmalen Werkstatt kauerten mehrere junge Männer und zwei zahnlose Greise an niedrigen Tischen, die Stoffe zuschnitten und schweigend nähten.
    »Und wir brauchen lange Jacken mit großen Kapuzen, Meister der Nadel«, fuhr Suleiman fort.
    Der Schneider gab seinen Mitarbeitern im Hintergrund ein Zeichen. Zwei Jungen sprangen auf, holten das Gewünschte und breiteten es vor Sean und Suleiman aus. Nacheinander, bedächtig jede Naht prüfend, legte Suleiman Sean zwei dieser Jacken um. Sie ließen sich vor der Brust zuschnüren und passten gut.
    »Wo hast du gelernt, wie eine Naht sein muss, und all das andere?«, fragte Sean erstaunt und sah zu, wie Suleiman seine Jacken anprobierte und wieder ablegte.
    »Der Eunuch im Harem meines Vaters und die vielen liebreizenden Dienerinnen haben es mich gelehrt«, entgegnete Suleiman. »Ich kann mehr als nur Steine werfen.«
    Sean verkniff sich eine Antwort und wartete, bis der Schneider die Jacken zusammengewickelt und verschnürt hatte.
    Suleiman feilschte und zahlte, nannte Sean den Betrag und achtete darauf, dass das Wechselgeld stimmte. Dann winkte er und rief: »Wa aleykum as-Salaam, Bruder des Garns.«
    Nach einigen Schritten erkundigte sich Sean: »Wozu brauchen wir vier gleiche Jacken?«
    »Nun, wenn eine zerreißt, haben wir noch eine zweite. Und dank der Farbe wird man dich für mich und mich für dich halten.«
    »Die unbekannten Kapuzenmänner in den Gassen der Stadt, meinst du das?«
    »Du wirst sehen, Sean, was alles im Schutz der Dunkelheit geschieht. Aus Gerüchten wird Wahrheit«, sagte Suleiman. Er nickte bestätigend. »Aber in der Wirklichkeit stecken die Wurzeln vieler Gerüchte und

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