Die Gehorsame
Aber er tat es nicht. Vielleicht wollte er es ja auch nicht. Er benahm sich ganz normal bei dieser und allen folgenden Fahrten im Aufzug. Am Freitag lud er mich zu sich nach Hause zum Essen ein.
»Das ist wirklich eine schreckliche Idee«, meinte Stuart an jenem Freitagabend. »Dein Kleid ist toll, aber wir sollten tanzen gehen oder so. Das mit dem Abendessen wird nicht funktionieren.«
Es war wirklich ein tolles Kleid, fließende, geblümte Seide und vorn durchgeknöpft. Ich hatte es im Secondhandladen gefunden, und kombiniert mit Wollsocken und derben Kampfstiefeln sah es großartig aus. Und es machte mir riesigen Spaß, mich für ein Date zurechtzumachen.
»Ach, verdammt«, sagte ich. »Warum soll ich es nicht machen? Jonathan hat nicht gesagt, ich dürfe niemand anderen ficken; er hat nur gesagt, ich würde es nicht tun. Und vielleicht tue ich es ja auch nicht.«
»Ja, klar«, sagte Stuart. »Carrie, du hast die ganze Woche von diesem Typen geredet. Du wirst mit ihm ins Bett hüpfen, und du wirst es noch bereuen. Wie blöd bist du eigentlich? Ich meine, glaubst du nicht, dass ihm die Striemen auf deinem Hintern auffallen werden?«
»Ich denke mir etwas aus«, sagte ich.
Und das tat ich.
Das Essen war gut – es stammte aus einem schicken Pastaladen –, und wir waren kaum in der Lage, uns zu unterhalten. Sein Job. Mein Job. Leitungen. Wir hatten großartigen Blickkontakt und zahlreiche zufällige Berührungen, wenn wir nach Wein oder Brot griffen. Es war süß, peinlich, geil und erfüllt von dem Gefühl, dass etwas passieren würde. Er lebte ein oder zwei Blocks vom Ocean Beach entfernt, und nach dem Essen machten wir einen Strandspaziergang, froren uns den Arsch ab und rannten kichernd wieder zurück in seine Wohnung, um uns aus den Pullovern zu schälen, die wir angezogen hatten. Er wollte gerade nach meiner Hand greifen, aber ich hatte größere Pläne mit ihm. Hoffentlich war der Zeitpunkt richtig gewählt. Okay, Carrie, dachte ich, eins, zwei … los.
»Zieh dich ganz aus, Kevin«, sagte ich ruhig, obwohl meine Stimme eine Oktave höher war als sonst. Er war so geschockt, dass ich tief Luft holen konnte. Ich setzte mich auf seine Couch, schlug die Beine übereinander und knöpfte ruhig den letzten Pullover auf.
»Du hast mich verstanden«, fuhr ich fort (viel besser). »Ich möchte dich nackt sehen.«
Einen kurzen Moment lang dachte ich, er würde mich erwürgen. Aber nein. Er stand einen langen Moment wie erstarrt da. Sein Mund stand offen, und seine Augen wurden glasig. Ich kannte den Blick. So sah ich aus, wenn Jonathan mich bearbeitete. Langsam begann er, sein Hemd aufzuknöpfen.
»Nun mach schon«, sagte ich ungeduldig. Und er wurde tatsächlich schneller. Leises Machtgefühl stieg in mir auf. Wow, dachte ich, ich kann das tatsächlich.
Aber er brauchte zu lange, um seinen Gürtel aufzuschnallen. Vielleicht zitterten seine Hände ja.
»Du bist sehr ungeschickt«, bemerkte ich. »Komm her. Halt mal still.« Ich zog seinen alten schwarzen Garrison-Gürtel ab und spielte damit. Ich legte ihn zusammen und schlug mir damit auf die Handfläche. Er blickte auf meine Hände und zog sich ängstlich schnell aus.
»Schuhe und Socken auch«, sagte ich. Und da stand er – blond und blauäugig, mit rosigen Wangen und einem süßen, runden Hintern, goldenen Härchen auf seinen Armen und einer riesigen vertikalen Erektion. Hungrig betrachtete ich sie, und er schaute mich an, als ob er am liebsten sterben würde.
»So schlimm ist es doch gar nicht, oder?«, sagte ich. Stumm schüttelte er den Kopf.
»Mein Name ist Carrie«, fuhr ich fort. »Das weißt du. Du kannst mit mir reden, wenn du willst. Ich werde dich … äh … Lucky nennen.«
Er schien es nicht zu kapieren, und ich fragte mich, warum ich diese snobistische Grausamkeit ins Spiel gebracht hatte. Eines Tages, dachte ich, würde seine Frau oder eine Freundin ihn in eine Aufführung von Warten auf Godot mitnehmen, und dann wäre der ganze Abend, vermutlich sogar die ganze Woche für ihn ruiniert. Vielleicht war ich auch so grausam, weil ich so nervös war und Angst hatte, die Angelegenheit zu vermasseln.
»Knie dich vor mich, Lucky«, sagte ich. Als er gehorchte, legte ich ihm seinen Gürtel wie eine Leine um den Hals. Mit der anderen Hand packte ich in seine Haare und zog seinen Kopf so zu mir heran, dass ich ihn küssen konnte. Er schmeckte süß, was teilweise am Wein lag, den wir getrunken hatten, teilweise auch an ihm.
Ich nahm den
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