Die Gehorsame
dass er nicht so ganz begriffsstutzig war. Zumindest allgemein gesehen hatte er recht, auch wenn Handschellen mir persönlich einfach nie so besonders sexy vorgekommen waren. Vielleicht habe ich aber auch als Kind im Gegensatz zu vielen anderen Leuten den Polizisten nie als meinen Freund und Helfer gesehen, andererseits aber auch nicht als Feind. Na ja, für mich sind es eben immer Halsbänder, Korsetts, Reitgerten und hohe Absätze, während Kevin offensichtlich glaubte, dass ich zwangsläufig auf Handschellen stehen müsste. »Das tut wahrscheinlich richtig weh an den Handgelenken, oder?«, sagte ich höflich und fuhr mit dem Finger an den Innenseite entlang.
»Oh, klar«, sagte er eifrig, und dann errötete er ein wenig. Vermutlich hatte er sie schon anprobiert. Ich küsste ihn auf den Hals und kuschelte mich an ihn, und bald schon waren wir wieder mittendrin. Und ja, er bekam seinen Willen. Triumphierend trug er mich ins Schlafzimmer, fesselte mich mit den Handschellen ans Kopfteil des Bettes, und ich kann Ihnen sagen, sie tun wirklich gemein weh an den Handgelenken. Aber er war total glücklich und benutzte höflicherweise sogar ein Kondom, was gut war, weil ich solche Dinge gerne schon mal vergesse. Auf jeden Fall gefiel es mir total gut, ihn in mir zu haben, sogar mit den blöden Handschellen. Außerdem war ich ihm noch was schuldig für Lucky, dachte ich, und er hatte mir geholfen, etwas über mich selbst herauszufinden, auch wenn es nur so etwas Blödes war, wie dass ich als Domina absolut ungeeignet bin.
Nun, mein ungeschicktes Abenteuer mit Kevin erlöste mich ein wenig von meiner Geilheit, und ich schaffte sogar zu lesen, bevor Jonathan zurückkam. Ich genoss den Rest meiner Ferien, aber ich freute mich auch auf seine Rückkehr. Dass ich seine Rolle ausprobiert und mich dabei so ungeschickt angestellt hatte, ließ mich ihn umso mehr schätzen. Ich dachte an den Abend, an dem wir uns kennen gelernt hatten und er gesagt hatte, er glaube, ich sei gut in SM . Mir fiel ein, wie ruhig er mir versichert hatte, dass er gut darin sei. Und das war er wirklich. Ich konnte es kaum erwarten, dass er zurückkam.
An dem Samstag, an dem er zurückkam, schnürte Mrs. Branden mich in ein Korsett, ein schwarzes diesmal, und zog die Bänder unglaublich fest an. Als er hereinkam, löste er die Leine von meinem Halsband. »Steh auf«, sagte er. »Lass mich dich ansehen.«
Ich stand ganz still, und er auch, während er mich musterte. Er sah blass aus, müde und erschöpft. Und schön wie immer. Schöner als sonst sogar, aber das fand ich stets, wenn er irgendwie gestresst wirkte. Schließlich steckte er wortlos seinen Finger durch den Ring an meinem Halsband und schlug mir mit der anderen Hand fest ins Gesicht. Dann trat er zurück und verschränkte die Arme. Er wirkte nicht so ärgerlich, wie der Schlag angedeutet hatte, sondern eher ein bisschen unheimlich.
»Es war wahrscheinlich ein Junge«, sagte er nachdenklich. »Ein Mädchen hätte ich interessanter gefunden, aber es war ein Junge, nicht wahr? Was für ein Junge, Carrie? Auch ein Fahrradkurier oder irgendein Punk-Poet? Oder vielleicht beides? Vielleicht mit einem Piercing in der Nase. Nun?«
Woher zum Teufel wusste er das? Ich hatte doch schließlich keine Striemen oder so. Zum Teufel, die einzigen Markierungen auf meinem Körper stammten von ihm! Aber ich sah vermutlich anders aus. Wahrscheinlich lag es ironischerweise daran, dass ich ihn jetzt mehr schätzte, dass ich Freude daran hatte, wie gut er alles im Griff hatte. Das merkte er wohl, ebenso wie die leichte emotionale Distanz, die mir das möglich machte. Er musste erkannt haben, dass das Gleichgewicht sich minimal verschoben hatte, dass er nicht mehr länger meine gesamte sexuelle Welt darstellte. Es war ein subtiler Unterschied, aber gerade das ist entscheidend, oder? Und es sind genau diese Unterschiede, die spürbar werden, wenn man so schlecht lügen oder Geheimnisse bewahren kann wie ich.
»Ich habe eine Freundin«, fuhr er fort. »Sie ist ein Genie in Disziplin. Sie hat drei Sklaven, die sie anbeten. Und sie spielt Poker mit ihnen. Sie liegen nackt auf seidenen Kissen, und sie bestraft sie strengstens, wenn sie – oder ihre Körper – Informationen über die Karten, die sie in der Hand halten, preisgeben. Es ist exquisit. Vielleicht nehme ich dich einmal dorthin mit. Sie würde dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen.«
Er schlug mich wieder. »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Junge
Weitere Kostenlose Bücher