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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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Schweiß rann ihm von der
    Stirn.
    Plötzlich tauchte Milan in seinem Blickfeld auf. Er
    zielte auf sein Gewehr und drückte zweimal ab. Die La-
    dungen zerfetzten die Wand, eine dichte Gipswolke
    stieg auf, tiefe Krater bohrten sich in die Treppenhaus-
    mauern.
    Milan konnte sich gerade noch auf die Stufen nieder-
    werfen. Einige Bleisplitter drangen durch seine Leder-
    uniform und kratzten ihm den Rücken auf. Der mit
    Zementstaub bedeckte Geier richtete sich wieder auf
    und zielte im Stil eines Frisbeespielers mit einer Karte
    auf den anderen. Das stählerne Rechteck bohrte sich tief
    in die Stirn des Fixers, genau über den Augen. Er ver-
    drehte die Augen, schwankte und fiel langsam über das
    Geländer.
    »Pik Zehn ...«, murmelte Milan und setzte seinen
    Aufstieg fort.
    Stefan folgte ihm, wie betäubt durch die Explosion,
    und rieb sich die Ohren wie ein Wahnsinniger.
    Auf allen Etagen stürmten nur mit der Unterhose be-
    kleidete Kunden aus den Zimmern, rannten die Trep-
    pen hinunter und drückten sich zitternd gegen die
    Wände, wenn die Gebrüder Milan an ihnen vorbeilie-
    fen. Ab und zu streckte Stefan, der immer zu solchen
    Späßen aufgelegt war, einen von ihnen mit einem
    Kinnhaken zu Boden. Er liebte es, solche Schläge auszu-
    teilen, aber noch lieber ging er mit dem schweren
    Hammer um, den er in Vitos Chevrolet zurückgelassen
    hatte. Er vermißte diesen Hammer, doch Vito hatte ge-
    sagt, damit fiele er auf der Straße zu sehr auf. Vor allem er ...
    Sie erreichten das oberste Stockwerk, wo eine Alumi-
    niumleiter vor einer halboffenen Klappe stand.
    »Wart hier auf mich!« befahl Milan.
    Mißmutig verzog Stefan das Gesicht.
    »Darf ich nicht mit dir kommen?« stöhnte er.
    Milan stellte sich vor seinen Bruder und gab sich
    Mühe, sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen.
    Das Brennen der Wunde erreichte nun den Nacken,
    und das Blut floß ihm den Rücken hinunter. Er nahm
    den dicken Kopf des Monogoloiden in beide Hände.
    »Hör mir gut zu, kleiner Bruder«, flüsterte er mit sanf-
    ter Stimme. »Ich möchte, daß du die Leiter bewachst.
    Eine Leiter ist etwas sehr Wichtiges. Wenn jemand
    kommt und sie wegnimmt, während man oben ist, kann
    man nicht mehr runtersteigen. Verstehst du?«
    Verwirrt nickte Stefan mit dem Kopf.
    »Ich passe auf die Leiter auf«, versprach der Koloß
    und starrte auf seine Schuhspitzen, wo eine dicke
    schwarze Schlammschicht abbröckelte.
    Milan drehte sich um und stieg die Leiter hinauf. Der
    Speicher war dreckig, feucht und dunkel. Der Geier
    schwang sich durch die Luke, richtete sich vorsichtig
    auf und blieb völlig reglos stehen, während seine Augen
    sich an die Dunkelheit gewöhnten.
    Zuerst vernahm er ein schwaches Atmen, dann ent-
    deckte er auf der rechten Seite eine hellere Silhouette.
    Er zündete sein Feuerzeug an und näherte sich lang-
    sam. Das Mädchen schlief. Das war auch besser so. Der
    Geier nahm sein Skalpell hervor, auf dessen Klinge sich
    sogleich das Licht des Feuerzeugs spiegelte und einen
    riesigen Schatten auf einen Balken warf, auf dem un-
    zählige Schaben hin und her rannten.
    Er bückte sich, und sein Herz machte einen wahrhaft
    gefährlichen Sprung.
    Giova Llorens war nur mit einem leicht durchsichti-
    gen Schleier bekleidet. Ihr Gesicht war glatt und blaß
    wie das von alten Porzellanpuppen, ihr langes blondes
    Haar umgab ihren Oberkörper wie ein goldenes Lei-
    chentuch, und als der Geier sich über sie beugte, öffnete
    sie ihre großen blauen Augen.
    David Toland stürmte in die Eingangshalle des Gebäu-
    des. Vito schreckte auf und richtete seine Magnum auf
    ihn. Vor dem leblosen Körper des Mannes mit dem ro-
    ten Wagen hielt der Sammler inne. Sein Blick fiel auf die
    beiden anderen am Boden liegenden Araber.
    »Was suchst du hier?« knurrte Vito.
    David hob den Kopf. Er sah die Waffe und die etwa
    zehn Männer, die schön brav an der Wand standen.
    »Wo ist Milan?« fragte er mit heiserer Stimme.
    Vito zögerte. Sein Bruder hatte ihm geraten, diesem
    Sammler nicht zu trauen, mehr nicht. In der Zone be-
    deutete Mißtrauen nur, daß man stets versuchen mußte,
    als erster zu schießen. Aber hier ...
    Toland erkannte die Gefahr. Sonderbarerweise aber
    beruhigte ihn das Verhalten von Milans Bruder. Er
    wurde also nicht als Komplize, sondern als Feind ange-
    sehen.
    »Ich muß sofort mit Milan sprechen«, sagte David.
    »Eine Programmänderung.«
    Plötzlich richtete Vito seine Waffe auf einen Kunden,
    der verzweifelt versuchte,

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