Die Geier
uns das Mädchen geben,
dann geht alles in Ordnung!« befahl er mit vom Inte-
gralhelm gedämpfter Stimme.
Mit einem Mal überschlugen sich die Ereignisse.
Stefan näherte sich und haute dem Geier mit der Faust
auf den Kopf wie mit einem Hammer. Das Visier zer-
splitterte, und Blut bespritzte David. Die übrigen Geier
zögerten, bevor auch sie ihre Skalpelle hervorzogen.
Der Koloß übergab Giova dem Sammler.
»Geh in den Wagen und warte auf mich!«
David öffnete den Mund, um zu antworten, aber
schon ging Stefan auf die Geier los. Die Skalpellklingen
zischten blitzend auf ihn nieder. David rannte zum Stu-
debaker. Hinter ihm setzte der dicke, am Oberkörper,
den Schultern und im Gesicht verletzte Mongoloide
seinen Kampf fort. Vier Geier lagen bereits am Boden.
Dolche tauchten in den Händen von Steve Odds'
Schergen auf.
David legte Giova Llorens auf den Rücksitz, nahm
hinter dem Lenkrad Platz und startete den Motor. Die
Porzellanpuppe war nach wie vor von Sinnen, mit Dro-
gen vollgestopft und merkte nichts von dem, was vor
sich ging. Einer der Geier, der flinker war als seine Kol-
legen, wich einem Schlag Stefans aus und pflanzte dem
Mongoliden mit aller Kraft seinen Dolch in den Bauch.
Das Messer steckte bis zum Griff im Nabel des Kolosses.
Stefan zögerte. Großes Erstaunen zeichnete sein Ge-
sicht.
Fasziniert beobachtete David die Szene durch die
Windschutzscheibe des Studebakers. Stefan fauchte er-
neut und trommelte mit beiden Fäusten auf seinen
Gegner ein. Der andere sank auf den Asphalt. Der
wahnwitzige Anblick dieses geistesgestörten Dicken,
der mit einem Dolch im Bauch weiterkämpfte, schien
die Geier zu beeindrucken. Plötzlich wurden sie vor-
sichtiger, einige von ihnen wichen sogar vor ihm zu-
rück. Ein zweiter geschleuderter Dolch bohrte sich mit
einem dumpfen Geräusch zwischen Stefans Schulter-
blätter.
David gab Vollgas und raste mit hoher Geschwindig-
keit auf die Kreuzung zu. Es hatte keinen Sinn, auf
Stefan zu warten. Er würde nicht mehr kommen. Nie-
mals mehr. Mit blutüberströmtem Gesicht schaute der
Riese dem vorbeifahrenden Studebaker hinterher. Hin-
ter den Wagenfenstern erkannte er Giovas goldenes
Haar.
»Meine . . . meine Puppe . . . « , jammerte er.
Er schleuderte einen letzten Geier fünf Meter weit
durch die Luft, bevor ein dritter Dolch ihm das Herz
durchstach. Dumpf fiel er auf die Knie und hob die Au-
gen zum Himmel.
»Mirko?« flüsterte er mit kindlicher Stimme.
Dann sank er mit dem Gesicht nach vorn zu Boden,
auf dem Asphalt gestrandet wie ein riesiges harpunen-
gespicktes Meeressäugetier.
Die Geier eilten zu ihren Fahrzeugen, den Motorrä-
dern und Lieferwagen. Der Studebaker war seit mehr
als einer Minute verschwunden. Milans Auto war der
schnellste aller Z.S.A.-Wagen. Nur die Motorräder hat-
ten eine Chance, ihn in den Straßen der Hauptstadt ein-
zuholen. Was sie wahrscheinlich auch getan hätten,
wenn David sich nicht wenige Straßen weiter in einem
unterirdischen Parkhaus versteckt und die Meute der
Geier mit heulenden Sirenen ruhig über sich hinweg-
fahren gelassen hätte ...
Eine ganze Weile betrachtete er Giova, die zusam-
mengekrümmt wie ein Fötus auf dem Rücksitz lag;
dann kletterte er nach hinten in den Studebaker. Er er-
innerte sich an Milans letzte Worte: >Unter dem großen
Kasten ist ein Geschenk für dich<. Er entfernte die vier Schrauben, mit denen der Container befestigt war,
schob ihn zur Seite und nahm den dicken Umschlag,
der auf dem Wagenboden lag. Zusätzlich zu dem von
Mustapha Moussi zusammengestellten Dossier mit den
eindeutigen Fotos aus der Nacht der Demonstrationen
enthielt er ein Schreiben des Geiers Mirko Milan, eine
ausführliche Aufstellung der im Auftrag der Z.S.A. be-
gangenen Verbrechen, zu denen auch der Mord an Ge-
rard Roussel zählte, dem einstigen Gefährten Davids.
Das Atmen fiel David schwer. Seine Erregung war zu
groß, zu heftig. Er war am Ziel seiner Bemühungen ...
Am nächsten Tag lag das Spenderherz in einer Salzlö-
sung. Aber es war nicht das Herz von Giova Llorens.
Pamela Sirchos lag auf dem Operationstisch, um sie
herum stand das Ärzteteam. Langsam streifte Loic Ga-
borit sich die Handschuhe über und bewegte dabei die
Finger, wie er das stets zu tun pflegte, während Mark
Zorski den Derivator überprüfte. Zwei Stunden zuvor
hatten die beiden Chirurgen der Verhaftung von Steve
Odds beigewohnt. Weitere Festnahmen würden
Weitere Kostenlose Bücher