Die Geier
Qualität
der Arbeit und der ganzen Medizin nur schaden. Logi-
scherweise aber konnte er seine Leute nicht dafür ta-
deln, daß sie schlampige Arbeit leisteten, weil ein Un-
abhängiger ihnen auf den Fersen war. Folglich stellten
die Unabhängigen für Odds eine echte Gefahr für die
Gemeinschaft und den ganzen Berufsstand dar. David
allerdings dachte genau das Gegenteil. Er nahm seine
Aufgabe viel zu ernst, als daß er sie einer Monopolge-
sellschaft, einem Trust, überlassen konnte, deren einzi-
ges Interesse eine möglichst große Rentabilität war.
Steve Odds zählte zu jenen Busineßleuten, die ihr
Glück in jeder Art von Geschäft versuchen, sofern da-
mit Geld zu verdienen ist. Und mit dem Handel von
Organen war jede Menge Geld zu verdienen. Weshalb
sich Steve Odds dieses Geschäft mit niemandem teilen
wollte.
Angesichts der neuerlichen Absage griff Odds zu ei-
ner Waffe, die seinem Charakter noch besser entsprach:
Korruption. Es gelang ihm, die Mehrzahl der Kranken-
häuser, die Kliniken und öffentlichen Spitäler, derart
unter Druck zu setzen, daß sie den Unabhängigen keine
Organe mehr abnahmen. Trotz einiger Widerstände sa-
hen die Chirurgenteams schließlich ein, daß es einfa-
cher war, auf die unabhängigen Sammler zu verzichten,
als sich der Organisation von Steve Odds zu widerset-
zen.
Infolgedessen geriet David Toland in große Schwie-
rigkeiten. Er hatte erhebliche Schulden machen müs-
sen, um sich eine hochentwickelte Ausrüstung - sowohl
für die Ortung als auch für die Entnahme und den
Transport der Organe - anschaffen zu können. Der
Scanner und das Terminal erlaubten es ihm, die Haupt-
stadt und einen Umkreis von fünfzig Kilometern abzu-
decken. Jenseits dieser Grenze war die Ortung völlig
nutzlos. Innerhalb dieser fünfzig Kilometer und auf
dem Stadtgebiet selbst war es David möglich, als erster
an Ort und Stelle zu sein. Sein Spezial-Cherokee, ein
wahres Wunderwerk an Kraft und Technik, ermöglichte
es ihm, problemlos fünf Leichen in Behältern mit einer
Salzlösung gleichzeitig zu transportieren. Ebenfalls für
die Entnahme, die Aufbewahrung und den Transport
auch noch so zarter und empfindlicher Organe war er
bestens ausgerüstet.
Aus Gründen der Sicherheit und Leistungsfähigkeit
hatte David sich mit Gerard Roussel, zusammengetan,
einem der Pioniere auf diesem Gebiet. Als Sammler war
Roussel zwar nicht sehr talentiert, aber in Sachen Ana-
tomie kannte er sich bestens aus. Innerhalb weniger Se-
kunden konnte Roussel die Todesursache eines Leich-
nams herausfinden und eine genaue Liste der nicht be-
schädigten Organe aufstellen. Was einen erheblichen
Zeitgewinn bedeutete. An seiner Seite hatte David
wirklich das Gefühl, noch etwas dazulernen und gute
saubere Arbeit leisten zu können. Andererseits stand
Roussel in sehr schlechtem Kontakt zu den Verbrau-
chern; es fehlte ihm an Ausstrahlungskraft, stets
wirkte er zerstreut und hatte zittrige Hände. Man hatte
kein Vertrauen zu ihm. Oft wurde er angegriffen. Die-
ser Makel verhinderte, daß er eine große Karriere mach-
te, was er allerdings lange Zeit nicht einsehen wollte.
Genau in dem Moment, als Roussel seinen Beruf bereits
aufgeben wollte, trat David mit seinem ganzen Enthu-
siasmus und seiner Ausrüstung auf.
David war das genaue Gegenteil von Roussel. Seine
Selbstsicherheit und sein Verhalten beeindruckten. Er
verstand es, andere zu überzeugen, knifflige Situatio-
nen rasch zu meistern und laut und deutlich zu spre-
chen, während er mit sicherer Hand ins Fleisch schnitt.
Einmal hatte Roussel ihm dabei zugesehen, wie er ei-
nem bei einem Autounfall getöteten Kind in Anwesen-
heit dessen Eltern die Augen herausoperierte, obschon
diese ihn eine Minute zuvor noch lynchen wollten,
wenn er es wagen würde, ihrem Sohn auch nur ein
Haar zu krümmen. Während er dann am Jungen her-
umschnippelte, gelang es ihm fast, die Angehörigen zu
trösten, ihnen Mut zuzusprechen. Zu Roussels großer
Überraschung, der sich in einer solchen Situation eiligst
aus dem Staub gemacht hätte, bedankten sich die An-
gehörigen am Ende sogar noch bei David. Es gab nichts,
wovor David Angst hatte, und Roussel, der in dieser
Hinsicht über eine gewisse Erfahrung verfügte und die
Menschen gewöhnlich richtig einzuschätzen wußte, be-
griff, daß David Toland ein großartiger Sammler war.
Wenn er auch jetzt vielleicht noch nicht der allerbeste
war, so würde er es
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