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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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heute?«
    »Weniger müde als gestern«, erklärte das Kind mit er-
    staunlich tiefer Stimme.
    Sie zeigte auf das eine Bein der Puppe.
    »Sophia hat sich letzte Nacht das Bein gebrochen, als
    sie aus dem Bett fiel. Können Sie ihr nicht ein anderes
    besorgen?«
    »Ich werde mich persönlich darum kümmern«, ver-
    sprach der Chirurg und zwinkerte ihr verständnisvoll
    zu.
    Er näherte sich dem Mädchen, nahm seine Hände
    und schaute sich die Fingernägel an.
    »Es ist so komisch«, murmelte Sandrine.
    »Was ist komisch?«
    »Die Farbe meiner Hände. Habe ich auch andere
    Hände bekommen?«
    »Nein, ich habe nichts mit deinen Händen getan.«
    Rasch prüfte Gaborit den täglichen Krankenbericht.
    Sandrine hatte normal uriniert, was bewies, daß das
    transplantierte Herz die Nieren mit ausreichend Blut
    versorgte. Man hatte keine verdächtigen Blutungen
    entdeckt, die Lungen funktionierten einwandfrei. Nach
    einer solchen Operation konnte es Sandrine gesund-
    heitlich einfach nicht besser gehen.
    Gaborit war einer jener Ärzte, die sich mit Mißerfol-
    gen nur schwerlich abfinden und bei Kindern schon gar
    nicht ertragen können. Er wandte sich an David.
    »Ich habe dir den Herrn mitgebracht, der dein neues
    Herz gefunden hat.«
    Die Augen der Kleinen wurden noch größer.
    »Danke«, flüsterte sie. »Es funktioniert wirklich sehr
    gut. Nur nachts schlägt es ein bißchen zu laut, aber es ist bestimmt ein verdammt gutes Herz.«
    David verschlug es die Sprache.
    »Es ist das beste Herz auf der ganzen Welt«, sagte er
    ziemlich verlegen.
    Als die beiden Männer erneut im Flur standen, geriet
    David plötzlich in Wut.
    »Herrgott noch mal! Was soll das alles?«
    Ganz gefaßt erzählte Gaborit Sandrines kurze Ge-
    schichte:
    »Sandrine wurde mit einer schweren Mißbildung, ei-
    ner Umkehrung der Herzgefäße, geboren. Noch vor
    nicht allzu langer Zeit wäre ein solches Kind bereits we-
    nige Tage nach der Geburt gestorben. Doch Professor
    Mustard, ein Kanadier, hat einen Weg gefunden, diesen
    Moment hinauszuzögern. Er hat diesen Kindern eine
    Frist gegeben, verstehst du? Sandrine war ein soge-
    nanntes >blaues Kind<. Hast du die Augen der Kleinen gesehen?«
    David nickte mit dem Kopf.
    »Nun, diese Augen sind mit denen, die sie vorher
    hatte, nicht zu vergleichen. Der Blick der >blauen Kin-
    der< ist entsetzlich. Sie sind sich des Todes ganz genau bewußt.«
    »Aber warum war in diesem Fall eine Transplantation
    nötig? Gab es keine andere Lösung?«
    »Nein. Im Prinzip wird der Mustard-Eingriff sofort
    nach der Geburt durchgeführt. Dann wartet man vier
    oder fünf Jahre, bis das Kind stark und alt genug ist, um
    den Eingriff vorzunehmen, der die Mißbildung endgül-
    tig beseitigt. Mit Sandrine aber gab es Probleme. Ihr
    Herz war zu groß, und zusätzlich kam es zu einem Blut-
    stau. Ihr Blut wußte nicht mehr, wohin es fließen sollte.
    Zweimal mußten wir sie operieren, ohne Erfolg. Ihr
    Herz war drauf und dran zu zerreißen, als ich den Not-
    fall in den Computer eingab. Neun Stunden später
    brachtest du mir ihr neues Herz.«
    David verzog den Mund und rieb sich die Nase.
    »Und wie lange muß das gutgehen?«
    Gaborit rümpfte die Nase.
    »Sie steht auf Verträglichkeitsstufe C, aber mit dem
    neuen Serum wird Sandrine noch gut zehn Jahre ohne
    Beschwerden leben können. Erst dann werden die er-
    sten Abstoßungsreaktionen auftreten. Vielleicht dauert
    es weniger lang, vielleicht länger, ich weiß es nicht.
    Aber zehn Jahre, David! Zehn Jahre! Bis dahin werden
    wir wahrscheinlich eine definitive Lösung für Sandrines
    Problem gefunden haben. Ich bin fest davon überzeugt,
    daß sie gerettet ist.«
    Er zeigte auf die nächsten Türen.
    »Jean-Pierre Pujol: Transplantation der Hornhaut.
    Adrienne Legal: Transplantation der Leber. Und alle die
    anderen. Alle haben David Toland ihr Leben zu ver-
    danken. Die ganze Etage müßte nach dir benannt sein.
    Und du willst aufgeben, nur weil eine Dilettanten-Ge-
    werkschaft dir Sorgen bereitet.«
    Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Weißt du, was
    ich an deiner Stelle täte? Ich würde Mitglied der
    Z.S.A. Jawohl! Ich würde mitten unter ihnen meinen
    Kampf fortsetzen.«
    »Damit du auch meine Organe lagern könntest, habe
    ich recht?« knurrte David.
    »Hör zu, David ...«
    »Nein!« brüllte Toland. »Gib dir keine Mühe! Was soll
    dieser Zirkus mit den Kranken? Das mit Gerstein hast
    du wohl auch so inszeniert?«
    »Apropos Gerstein: Ich finde, daß ihr euch vom

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