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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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Leber der Blutgruppe AB negativ
    angeboten. Haben sie dir diese Leber etwa vor der Nase
    weggeschnappt?«
    David schnitt eine Grimasse.
    »Nein, nicht ganz. Der Mann trug eine Plakette.«
    Gaborit sah den Sammler an.
    »Ich verstehe«, murmelte er nach einer Weile.
    David nahm sich einen Stuhl und setzte sich.
    »Loic, ich habe da noch was. Einen ganzen Körper mit
    Nackenbruch und eine Menge anderer interessanter
    Dinge ...«
    Gaborit lehnte sich nach hinten und blies eine blaue
    Rauchwolke in den Raum.
    »Ich habe keinen Zugang mehr zur Lagerabteilung.«
    David schien überrascht.
    »Seit wann?«
    »Seit drei Tagen«, seufzte der Arzt. »Ein Entschluß
    der Direktion. Diese Abteilung steht fortan unter der
    Kontrolle der Verwaltung. Abgesehen von der Unfall-
    station, wo ich glücklicherweise weiterhin das Sagen
    habe, habe ich mit der Organaufnahme im Saint-Louis
    nichts mehr zu tun. Es tut mir leid, David.«
    »Steve Odds?« zischte David.
    Gaborit zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung. Gewisse Chirurgen des Hospitals
    haben ihre diesbezüglichen Vorrechte verteidigen
    können, und sie alle arbeiten ausschließlich mit der
    Z.S.A. zusammen.«
    Toland schlug kräftig mit der Faust auf den Schreib-
    tisch.
    »Das verstößt gegen die Charta! Diesmal geht's aber
    wirklich zu weit! Du könntest dich an den Ausschuß
    wenden ...«
    Gaborit lächelte gelangweilt.
    »Es steht jedem Hospital völlig frei, Organe zur Lage-
    rung aufzunehmen oder nicht. Es gibt keine Vorschrif-
    ten über die Quantität, die von den Unabhängigen und
    den Mitgliedern der Z.S.A. geliefert wird. Und nicht ich
    bin es, der sich dieses verfluchte Gesetz ausgedacht
    hat.«
    David war nach wie vor wütend.
    »Aber wenn wir uns das gefallen lassen, wird man
    sich in zwei Wochen oder in einem Monat nicht einmal
    mehr in Notfällen an uns wenden. Sie werden die
    Charta ganz einfach umgehen und behaupten, die Or-
    gane, die wir abliefern, seien unbrauchbar. Das ist das
    Ende für die Unabhängigen.«
    »In unserem Hospital wird es sicher nicht so weit
    kommen.«
    »Das meinst du!« unterbrach ihn David und erhob
    sich. »Wenn die Z.S.A. eine Blockade über das Saint-
    Louis verhängt, werden sich die Patienten anderswo
    behandeln lassen, in anderen Spitälern, die von der
    Gewerkschaft beliefert werden, und dich wird man feu-
    ern, Loic! Dich werden sie ganz einfach auf die Straße
    setzen, egal wie gut du als Chirurg bist.«
    Gaborit legte die Hände zusammen und beugte sich
    ein wenig nach vor.
    »Du irrst dich, David. In unserem Beruf existiert noch
    so etwas wie ein Orden, es gibt einen Eid. Und auch
    wenn dies nicht immer respektiert wird, so halten sich
    zumindest die großen Mediziner dieser Welt daran. Sie
    werden nicht zulassen, daß ein Sammlermonopol ent-
    steht.«
    David lachte höhnisch.
    »Bis es soweit ist, bin ich längst ruiniert. Meine Geräte
    wird man beschlagnahmen, und keine einzige Bank
    wird mir einen Kredit gewähren. Und so heftig sich
    dein verdammter Orden auch beschwert, auf dem gan-
    zen Markt wird es nur mehr einen einzigen Lieferanten
    geben: Steve Odds und seine Geier.«
    Der Chirurg erhob sich langsam aus seinem Sessel.
    »Ich muß noch schnell bei einigen Kranken vorbei-
    schauen. Ich möchte, daß du mich begleitest.«
    Stefan saß auf der dreckigen Klobrille und weinte. Er
    weinte hemmungslos und ließ die Tränen über das auf-
    gedunsene Gesicht laufen. Nervös zerknüllten seine
    Wurstfinger das Pappröhrchen einer Klopapierrolle. Of-
    fensichtlich hatte er schon wieder einem Mädchen den
    Kopf eingeschlagen. Er hatte es nicht tun wollen. Er
    hatte sich ihr nur genähert, um sie besser anschauen, sie
    vielleicht kurz berühren zu können. Sie war so hübsch.
    Er wollte sie streicheln, sie in seine Arme nehmen, da-
    mit sie sich nicht schmutzig machte. Sein Verlangen
    war so groß, daß er jedesmal vergaß, wie er das anstel-
    len sollte.
    Als sie ihn sah, begann sie laut zu schreien. Sie hätte
    nicht schreien dürfen. Vito würde es doch hören. In
    dem Moment erwachte das Ding, das in Stefans Bauch
    schlief. Mamas Lieblingssohn streckte die Arme aus, um
    dem Mädchen verständlich zu machen, daß es nicht
    schreien, nichts sagen, sich nicht in die Hose machen
    durfte. Aber das Mädchen war dumm. Es schrie noch
    lauter. Vito würde herbeigerannt kommen, laut schimp-
    fen und seinen Bruder mit Füßen in den Bauch treten.
    Und anschließend selbst mit dem Mädchen seinen Spaß
    haben.
    Stefan schnaubte

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