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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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laut. Ein dickes Rotzseil hing ihm
    aus der Nase. Mit der Zunge leckte er es weg.
    Mit dem Hammer schlug er das Mädchen auf den
    Kopf. Damit es endlich ruhig war. Mädchen sind nicht
    so robust wie Autos. Auch das hatte er vergessen.
    Wenn das Ding in seinem Bauch zu wachsen begann,
    vergaß er alles. Dann gab es nur noch dieses Feuer in
    seinem Kopf.
    Mit dem Hammer machte er Vito angst. Stets profi-
    tierte Vito von den totgeschlagenen Mädchen. Das war
    nicht richtig.
    Stefan krümmte sich, sein Gesicht wurde feuerrot,
    und er furzte fürchterlich laut. Das Geräusch erinnerte
    ihn an den Laut, den das Mädchen von sich gab, als er
    sich zu amüsieren begann. Stefan gluckste. Ein Lächeln
    huschte über sein Mondgesicht. Doch dann fing er so-
    gleich wieder zu weinen an.
    Bald würde Ma zurückkommen. Sie würde erfahren,
    was mit dem Mädchen geschehen war. Sie erfuhr im-
    mer alles. Vor Ma konnte man nichts verbergen. Sie
    würde Vito und ihn bestrafen, und in den nächsten drei
    Tagen würde keiner von beiden sich auf seinen Hintern
    setzen können. Ma war außergewöhnlich stark für ihre
    Größe.
    Stefan hob den Kopf. Jemand näherte sich dem Klo.
    Es war nicht Ma. Ma hätte mit ihrer schrillen Stimme
    nach ihm gerufen. Er umklammerte den Hammer, den
    er gegen die Tür gelehnt hatte.
    »Stefan, ich bin's, Mirko! Mach auf!«
    »Mir-ko?« Stefan holte tief Luft, blähte seine Wangen
    auf und glich einem Fisch. Mirko mochte er sehr. Mirko
    hatte ihn noch nie geschlagen. Mirko war sein großer
    Bruder. Er beschützte ihn. Wenn Mirko bei Stefan war,
    machte niemand sich über ihn lustig. Mit Vito war das
    ganz anders. Manchmal brachte er abends Freunde mit.
    Sie betranken sich und warfen mit den leeren Flaschen
    nach Stefan.
    Stefan klammerte sich noch heftiger an den Hammer-
    stiel. Eines Tages würde er auch Vito den Kopf ein-
    schlagen.
    »Nun mach schon auf, Kleiner! Mach auf!«
    Stefan schnaubte, rollte mit den Augen, vergaß den
    Riegel zu öffnen, drückte mühelos die Tür ein und warf
    sich mit seinen hundertdreißig Kilo in Mirkos Arme.
    Vor lauter Glück machte er sich in die Hose.
    Viertes Kapitel
    Der Saint-Louis-Flügel bestand aus einer riesigen An-
    nahmehalle für Notfälle und aus einem nicht weniger
    eindrucksvollen Operationsblock, wo alle möglichen
    Eingriffe vorgenommen wurden, vor allem solche, bei
    denen es um Leben und Tod ging. Einige der besten
    Chirurgen der ganzen Welt wurden dort ausgebildet
    und leisteten zumindest ihr Praktikum hier ab, bevor sie
    sich dann nach lukrativeren Kliniken umsahen. Es be-
    durfte schon der Leidenschaft eines Gaborit, um es auf
    Dauer in dieser Fabrik auszuhalten.
    Im Prinzip wurden die Patienten nach der Operation
    in andere Abteilungen des Amerikanischen Hospitals
    überführt, wo man sie bis zu ihrer völligen Genesung
    pflegte. Doch auch Saint-Louis verfügte über äußerst
    hochentwickelte Vorrichtungen zur Nachbehandlung.
    Außer den Reanimationsräumen und der Intensivsta-
    tion gab es im Saint-Louis etwa fünfzig Doppelbett-
    zimmer für die kritischen und komplizierten Fälle, bei
    denen jederzeit mit einem neuerlichen Eingriff gerech-
    net werden mußte. Auf der obersten Etage brachte man
    gewöhnlich die Kranken unter, die nur noch eine ge-
    ringe oder gar keine Überlebenschance mehr hatten.
    Nach Loic Gaborits Ansicht waren diese Patienten nur
    ein Vorwand, den engstirnige Verwaltungsbeamte auf-
    rechterhielten, da sie die Kosten langer und komplizier-
    ter Operationen scheuten. Der junge Chirurg war der
    Überzeugung, daß es für jedes Problem eine Lösung gab
    und man den Todeskandidaten wenn schon keine Hei-
    lung versprechen konnte, so doch wenigstens eine Frist
    gewähren mußte. Der wissenschaftliche Fortschritt er-
    laubte es, daß selbst die lächerlichste Frist bei aller Ver-nunft als Sieg betrachtet werden konnte. Gaborit arbei-
    tete in diesem Sinne.
    David begleitete ihn zu den Kranken, bei denen er je-
    den Morgen vorbeischaute, sobald er seinen Dienst im
    Saint-Louis-Hospital antrat. Der Gegensatz war über-
    wältigend. Hier hörte man nichts mehr von dem wirren
    Lärm in der Aufnahmehalle. Nur das ölige Gleiten der
    Aufzüge brach in diese beinahe erdrückende Stille ein.
    Instinktiv sprach David leiser:
    »Warum bringst du mich hierher?«
    Eine winzige Falte grub sich in Gaborits linke Wange.
    Er deutete auf die erste Tür.
    »Kennst du Boris Gerstein?« fragte er mit heiterer
    Stimme.
    »Den Pressezar?«
    »Genau. Den

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