Die Geier
das nicht. Diese Frauen sind bereit, sich
unters Messer zu begeben, ohne zu wissen, ob der Ein-
griff sie nicht völlig zerstören und ihnen das Leben un-
erträglich machen wird.«
Roussel sah Toland an.
»Sie wollen weitere Kinder bekommen. Worüber be-
klagst du dich eigentlich? Findest du, daß es zu viele
Käufer gibt? So lange Transplantationen in Mode sind,
brauchen wir nicht Hunger zu leiden.«
Der Drucker am Armaturenbrett knatterte. Der Com-
puter ließ ihnen eine verschlüsselte Nachricht zukom-
men. David nahm den Fuß vom Gaspedal und überflog
den Inhalt der Mitteilung. Bei einer Demonstration des
Front National hatte es an die zwanzig Opfer gegeben.
Die Auseinandersetzungen griffen auf sämtliche Stra-
ßen rund um den Sportpalast über.
»Fahren wir hin?« fragte Roussel.
»Das ist nicht nötig. Es wäre verlorene Zeit. Die Ty-
pen der Gewerkschaft sind bestimmt schon alle da, und
die Bullen würden uns sowieso daran hindern, dort zu
arbeiten. Ich sag dir eins, Gerard: Es sind nicht nur die
Frauenbäuche, die in diesem Land verfaulen ...«
Während David Toland völlig verdrossen seine Fahrt
fortsetzte, wurde Pamela Sirchos jenseits des Atlantiks
zum dritten Mal in neun Monaten ins Sprague-Hospital
in Miami eingeliefert.
Alle liebten Pamela. Eine zweiunddreißigjährige Frau
mit einer unglaublich zarten Porzellanhaut, ein Topmo-
dell aus den Luxusmagazinen, das ungeheuer intelli-
gent war und dem die Türen aller Universitäten offen-
gestanden hätten, wenn Pamela es gewollt hätte. Zu-
dem war Pamela ungewöhnlich liebenswürdig. Ihre
Freunde behaupteten, Pamelas Fotos in den Zeitschrif-
ten hätten mehr Herzinfarkte verursacht als die große
Krise von 1929, Marilyn Monroes Tod und Marie Dek-
kers Sturz im 1500-Meter-Lauf bei den Olympischen
Spielen von Los Angeles zusammen. Wenn Pamela ih-
ren veilchenblauen Blick auf einen Mann richtete,
mochte die ganze Welt aus den Fugen geraten, in die
Luft gehen und sich auflösen, ohne daß der Mann die-
ses göttliche Bild jemals vergessen würde. In einer Zei-
tung, deren Titelbild mit der leichtbekleideten Pamela
geschmückt war, hieß es, ihr Körper sei sogar in der
Lage, die Hoden eines Eunuchen zu neuem Leben zu
erwecken. Alle Männer träumten von Pamela, auch
wenn keine seriöse Studie die Legende belegen konnte,
nach der man die ganze UdSSR mit dem Sperma jener
Amerikaner überfluten könnte, die sich beim Gedanken
an Pamela tagtäglich einen runterholten.
Jeder bewunderte Pamela, doch kein Mitglied des
Krankenhauspersonals in Miami war glücklich darüber,
sie an jenem Tag dort zu sehen.
Pamelas Beschwerden begannen vor zwanzig Jahren.
Als Zwölfjährige wurde sie damals im Turnsaal ihrer
Schule von einem unstillbaren Erbrechen gepackt. Man
brachte sie in die Krankenabteilung der Universität, wo
sie über Druck auf der Brust klagte. Der Arzt diagnosti-
zierte ein rheumatisches Fieber, wie es bei Kindern oft
vorkommt. Nur ein geringfügiger Herzklappenfehler.
Nach einer kurzen Genesungsphase wurde Pamela
ganz einfach geraten, ihr Herz zu schonen und allzu
große körperliche Anstrengungen zu vermeiden. Doch
Pamela dachte nicht daran, diesem Rat zu folgen, und
trieb weiterhin Sport. Obschon bei jeder weiteren ärztli-
chen Untersuchung dieser Herzklappenfehler festge-
stellt wurde.
Erst achtzehn Jahre später, nach einem neuerlichen
Unwohlsein, stellte ein Kardiologe eine Mißbildung des
Herzens sowie einen Fehler an der Herzklappe fest.
Diese Diagnose, die bewies, daß Pamelas Herz nur zu
vierzig Prozent funktionierte, wurde von den Herzspe-
zialisten in Miami bestätigt. Zuerst wurde Pamela Sir-
chos von Professor Russel operiert. Er ersetzte die feh-
lerhafte Klappe durch eine Kunststoffklappe, die sich
bei den meisten Patienten mit einer ähnlichen Mißbil-
dung bewährt hatte. Das Implantat hielt nur eine Wo-
che. Die künstliche Herzklappe ging auf einmal kaputt,
und fast wäre Pamela gestorben, kurz nachdem sie das
Krankenhaus verlassen hatte. Die Venen in sämtlichen
Gliedern schwollen zu gefährlich dicken Krampfadern
an und die ach, so berühmte Porzellanhaut war mit
bläulichen Blutergüssen übersät. Die von aller Welt ver-
götterte Pamela Sirchos schien dazu verurteilt zu sein,
auf dem Gipfel ihres Ruhms zu sterben.
Auch in ihrer völligen physischen und moralischen
Verzweiflung bewies das Starmannequin, das westliche
Topmodell number one, die
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