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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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setzte David seine Arbeit
    fort. Nur ab und zu erteilte er Roussel einen kurzen Be-
    fehl, den dieser sogleich ausführte. Wie gebannt sah
    eine Gruppe Neugieriger ihnen bei der Arbeit zu. Sie
    waren sich bewußt, daß sie einem sehr ungewöhnlichen
    Ereignis beiwohnten, das weit über die Bedeutung des
    Verkehrsunfalls hinausging. Äußerst behend begab sich
    David von einem Verletzten zum anderen. Aber sein
    Verdienst errechnete er niemals nach der Zahl der toten
    Organspender, sondern nach der Zahl der geretteten
    Leben. Es war nun einmal so, daß die einen sterben
    mußten, damit die andern leben konnten. In diesem
    Kreislauf war David nichts weiter als ein Mittelsmann.
    Die Schnelligkeit, mit der Toland seine Arbeit ausführte,
    war verblüffend. Während Roussel noch damit beschäf-
    tigt war, die Körper nach dem Grad ihrer Verletzungen
    einzuordnen und Tests durchzuführen, begann David
    bereits mit dem Schneiden. Er legte die Wundhaken an,
    befestigte die Klammern, um einen Blutstau zu verhin-
    dern, entnahm das gewünschte Organ und legte es in
    den Konservierungskasten.
    »Mein Gott!« murmelte ein Schaulustiger. »Dieser
    Kerl arbeitet so schnell, daß er am Ende noch einen Un-
    verletzten aufschneiden wird ...«
    Einen Augenblick lang jedoch zögerte David: Die
    Frau, die vor ihm auf dem Asphalt lag, trug ein buntes
    Kleid, das ihr über die nackten Beine hochgerutscht
    war. Er kniete neben ihr nieder und riß den leichten
    Stoff entzwei. Unter dem Kleid kam ein schwarzer Bü-
    stenhalter zum Vorschein. Der schwergewichtige Mann
    der Frau stand neben ihnen. Sein Gesicht zeigte Ver-
    brennungen, und er stand unter Schock.
    »Nehmen Sie ihr die Augen raus!« stammelte er. »Ich
    war verrückt nach ihren Augen. Ich würde sie so gern
    wiedersehen ...«
    Ohne zu antworten, gab David Roussel ein Zeichen.
    Unverzüglich setzte Roussel der Frau den Defibrillator
    auf die Brust. Der reglose Körper zuckte krampfartig
    zusammen. Das kraftlos gewordene Herz fand zu sei-
    nem normalen Rhythmus zurück und ließ das gestockte
    Blut in die Arterien zurückfließen. Die Frau öffnete die
    Augen und versuchte sogleich, ihre nackten Brüste zu
    bedecken. Toland richtete sich erneut auf.
    »Ihre Frau lebt noch, mein Lieber. Bringen Sie sie
    schnellstens zur Untersuchung in ein Krankenhaus.«
    »Gott sei Dank«, murmelte der Mann.
    Der Mann suchte nach Worten, um sich zu bedanken,
    aber da beugte sich David bereits, ungefähr zehn Meter
    weiter entfernt, über die Leiche eines jungen Mannes,
    der durch die Windschutzscheibe seines Wagens ge-
    schleudert worden war, um dann am Kühlergrill eines
    Sattelschleppers zu zerschellen. Roussel wollte bereits
    erste Analysen vornehmen, aber David hielt ihn zurück
    und deutete auf die rote Plakette an der Brust des Toten.
    Kein Organspender. Rasch prüfte David das Ausstel-
    lungsdatum. Die Plakette war völlig ordnungsgemäß.
    Roussel verzog das Gesicht. Das Irvin-Baylor-Kranken-
    haus benötigte dringend eine Leber der Blutgruppe AB
    negativ, und genau dieser junge Mann war Träger die-
    ser äußerst seltenen Blutgruppe. Und die Kunden des
    >Baylor< zahlten gut. Man müßte diese Plakette nur entfernen ...
    Aber schon war David wieder mit einem anderen
    Körper beschäftigt. Etwas weiter weg, und noch schnel-
    ler.
    Als Steve Odds, der Gewerkschaftsführer, die Tür zum
    Versammlungsraum öffnete, spielte Milan nach wie vor
    mit seiner Pikdame. Nervös fuhr Odds sich mit der
    Hand durch die wenigen Haare, die ihm geblieben wa-
    ren und in fettigen Strähnen bis tief in den Nacken hin-
    gen. Sein Blick glitt über die leeren Tische und die Bild-
    schirme, auf denen immer noch der allgemeine Aufruf
    zu lesen war. Schließlich starrte er Milan an.
    »Sie sind hiergeblieben?«
    Milan verzog den Mund.
    »Sieht so aus.«
    Odds räusperte sich. In Milans Gegenwart fühlte er
    sich stets unwohl in seiner Haut. Es gab nur wenig Leu-
    te, denen es gelungen war, ihn zu beeindrucken, aber
    Milan hatte es immer wieder geschafft. Ständig redete
    Odds sich ein, daß Milan wie alle anderen auch, nur ein
    einfacher Angestellter der Z.S.A. war. Mit dem einzi-
    gen Unterschied, daß Milan ein wenig erfahrener und
    erfolgreicher war als die anderen Sammler. Ständig
    sagte Odds sich, daß er, der Führer der Gewerkschaft
    (der den Direktoren der Muttergesellschaft gleichge-
    stellt war, dessen Autorität sich sogar die medizinischen
    Kapazitäten fügten und vor dessen Wutanfällen jeder
    sich

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