Die Geier
Echtheit ihrer Liebenswürdigkeit und ihren Humor, der jeder Belastungsprobe
widerstand. Das Personal des Sprague-Hospitals be-
handelte sie ausnahmslos mit aufrichtiger Freundlich-
keit. Da die künstlichen Herzklappen dem Druck ihres
Herzens nicht standhalten konnten, fertigte Doktor
Russel mit einem Stück Haut, das man der Patientin am
Schenkel entnahm, eine neue Klappe an. Hugo Russel
war fast hundertprozentig sicher, daß der Eingriff gelin-
gen würde. Pamela müßte nur einige Monate lang dar-
auf verzichten, im Badeanzug vor den Fotografen zu
posieren.
Während acht Monaten schien Russel tatsächlich
recht zu behalten. Die zweite Klappe funktionierte. Erst
als Pamela nach dem Schwimmen am Strand von Flo-
rida plötzlich im Sand zusammenbrach, wurde sie zum
dritten Mal ins Sprague-Hospital in Miami eingeliefert.
Professor Zorski, der weltweit beste Herzspezialist, der
gewöhnlich in Philadelphia tätig war, erwartete sie im
Operationssaal. Hugo Russel sollte ihm dabei assistie-
ren.
Zorski war als äußerst launenhafter Chirurg bekannt,
der ohne Umschweife seine Meinung sagte und immer
wieder das amerikanische Budget für medizinische For-
schung kritisierte. Auch ging er regelmäßig zu Cocktail-
partys und in die Spielcasinos, wo er unglaubliche
Geldsummen verspielte. Er war bei jedem gesellschaft-
lichen Anlaß zugegen, wo er hoffte, einen möglichen
Geldgeber von seinen halb offiziellen, halb im geheimen
durchgeführten Studien über Schädeltransplantationen
überzeugen zu können. Zorskis Zeitungsartikel und In-
terviews übten stets großen Einfluß auf politische Um-
fragen im Land aus.
Aber Mark Zorski war nicht nur diese eigenwillige
und zugleich faszinierende Persönlichkeit, die sich im
Scheinwerferlicht wohl fühlte, vor Mikrophonen bestens
zu überzeugen wußte und für die nach Idolen lechzen-
den Amerikaner ein perfektes Ideal darstellte. Sondern
er war tatsächlich auch der unglaublichste Herzspezia-
list auf der ganzen Welt. Jeder seiner Eingriffe war An-
laß zu einem unwahrscheinlichen Begeisterungssturm,
und die Zahl seiner Bewunderer (nicht nur die üblichen
Studenten und Praktikanten, sondern auch internatio-
nale Persönlichkeiten aller politischen Schattierungen)
wurde größer und größer. Mit geradezu zauberhafter
Geschicklichkeit und Schnelligkeit brachte Zorski es zu
diesen Triumphen. Von nun an nannte man ihn überall
den Champion, das As der Asse. Er war in der Herz-
chirurgie das, was Fischer im Schach war. Eine echte
lebende Legende.
Zu seinen Launen gehörte auch die Weigerung, je-
mals anderswo als in Philadelphia zu operieren. Aus
der ganzen Welt kam man zu ihm nach Philadelphia
gepilgert. Doch an jenem Tag nahm er das Flugzeug
nach Miami, um Pamela Sirchos eine dritte Herzklappe
einzusetzen.
Es gab mehrere Gründe für diese Reise, doch der
wichtigste war zweifellos Pamelas Heirat mit Alexander
Sirchos, dem reichsten Mann der Welt.
Alexander Sirchos hatte Zorski persönlich angerufen
und ihm die Situation kurz erläutert. Das war im
Grunde nichts Ungewöhnliches, denn Zorski wurde
aus den Arabischen Emiraten, aus Afrika und Australi-
en, aus Europa und sogar aus der UdSSR angerufen.
Die Antwort jedoch, die der Chirurg übermitteln ließ,
war jedes Mal die gleiche: »Nein. Kommen Sie nach
Philadelphia, und dann werde ich entscheiden, ob ich
Sie operiere oder nicht.«
Die Reise nach Philadelphia bedeutete also nicht un-
bedingt, daß der Stararzt die Operation am offenen
Herzen auch wirklich vornehmen würde.
Zorski verfügte auf seinem Gebiet über die absolute
Macht. Selbst der Präsident der Vereinigten Staaten von
Amerika konnte nicht sicher sein, daß Zorski ihn operie-
ren würde.
Als Alexander Sirchos ihm den Fall seiner Gattin ge-
schildert hatte, sagte Zorski nur einen einzigen kurzen
Satz: »Ich komme.«
Die Apachen versammelten sich in einem riesigen leer-
stehenden Fabrikgebäude zwischen Montreuil und Ro-
mainville. Die Halle lag mitten auf einem weiten unbe-
bauten Grundstück, das mit zahlreichen kraterähnli-
chen Vertiefungen übersät war, in denen es von Insek-
tenscharen nur so wimmelte. Das Haus sollte eigentlich
gänzlich abgerissen und später im Rahmen der Stadt-
planung wieder neu aufgebaut werden. Aber irgend-
wann war das Projekt abgebrochen worden, die Arbei-
ten wurden eingestellt. Nur dieses Gebäude war von
den Bulldozern verschont geblieben und stand nun
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