Die Geier
völ-
lig unpassend irgendwo im Nichts. Die verfaulende
Ruine war zum Revier der Apachen geworden. Hier re-
parierten sie ihre Motorräder, bumsten ihre Mädchen,
teilten sich die Beute ihrer Raubzüge, und hier schliefen
sie oft. Aber ihre Hauptbeschäftigung bestand darin,
sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen und sich wie
wilde Hunde am Boden zu wälzen.
Beim Überqueren des unbebauten Geländes wich
Vito geschickt den Löchern aus. Ein Bomber mußte sich
über dem Gelände verirrt und aus Versehen tonnen-
weise Granaten abgeworfen haben. Diese Erklärung ge-
fiel Vito. Er näherte sich den an der Mauer abgestellten
Motorrädern. Sein Blick schweifte über die unzähligen
Reifen und den Plunder, der in einer Ecke aufgestapelt
war, und fiel schließlich auf Bismarks Electra Glide. Die
Maschine mit ihren violetten Seitenstücken, den makel-
los glänzenden Chromteilen und dem weißen Leder
bildete einen starken Kontrast zur Landschaft.
»Was suchst du hier?«
Vito drehte sich um. Im Lagertor stand ein etwa
zwölfjähriger Bursche, der so schmierig aussah wie ein
alter Zylinderkopf und die Finger hinter den Gürtel sei-
ner schmutzigen Jeans geklemmt hatte. Eine Hasen-
scharte schürzte auf sonderbare Weise seine Lippen
und gab eine verfaulte Zahnreihe frei. Der eingebildete
Bengel ließ sich Ranky nennen. Seinen richtigen Namen
hatten alle längst vergessen.
»Hi, Ranky.«
»Hi, Banane, kommst du zur Corrida?«
Vito runzelte die Stirn.
»Zu welcher Corrida?«
»Die Karatemannschaft aus dem Gymnasium
kommt«, erklärte Ranky und lachte sich halbtot. »We'll destroy them, und den lahmen Kasten setzen wir in Brand!«
Vito schüttelte den Kopf.
»Ich hab keine Zeit. Ich muß sofort mit Bismark re-
den.«
»Ist mit seinem Mädchen beschäftigt. Kannst ihn jetzt
nicht stören.«
»Sag ihm, daß ich hier bin. Es eilt!«
»Wie du willst, Banane.«
Ranky verschwand in der Lagerhalle, und Vito folgte
ihm. Die ganze Bande hatte sich unter dem Wellblech-
dach versammelt. Lauter wertlose Scheißkerle, die hier
im Dreck und in der Feuchtigkeit noch einmal verrecken
würden. Ein halbes Dutzend Apachen stand um einen
Billardtisch, ein wackliges altes Gestell, dessen Teppich
bereits total zerfetzt und mit Brandlöchern übersät war.
Zwei rothaarige Mädchen stießen ihre Messer in einen
Fußball. Überall Leute, die an Stahlträgern lehnten, sich
auf dreckigen Matratzen im Schmutz wälzten. Flaschen
und Joints machten die Runde. Es stank nach Äther und
Pisse. Vito fühlte sich wie zu Hause.
»Hey, Vito!« schrie eine Stimme. »Hast du an meinen
Range Rover gedacht?«
Irgendwo in einer Ecke ertönte ein hysterisches La-
chen.
»Keine Zeit bisher.«
Ein kahlköpfiger Zwerg sprang von seiner Sitzstange
und Vito direkt vor die Füße. In der Hand hielt er einen
Schlagring mit rostigen Spitzen.
»Scheiße, worauf wartest du denn noch? Schon vor
zwei Wochen hab ich dich danach gefragt.«
»Reg dich nicht auf!« knurrte Vito. »Du wirst deinen
Schrotthaufen schon noch bekommen.«
Eines der Messer drang bis zum Griff in den Lederball
ein. Die Mädchen kreischten. Ein gräßliches Grinsen
verzerrte dem Zwerg den Mund. Er hielt ein rechtecki-
ges Stück Papier in der Hand.
»Superstoff. Wir haben einen stinkreichen Opa aus-
geraubt. Wenn du Geld hast, könntest du . . . «
»Bin völlig platt«, unterbrach Vito und schielte nach
dem Papier mit dem Stoff. »Aber wenn du mir bis mor-
gen abend was leihen kannst ...«
Der Gnom schnitt eine Grimasse.
»Das würde dir so passen, alter Bettler. Für nen
Schuß fragst du am besten Pif. Wir halten uns heute
abend an Wodka. Drei Zentiliter in die Röhre, und du
weißt nicht mehr, ob du ein Männchen oder ein Weib-
chen bist. Machst du mit?«
Vito kratzte sich die Eier.
»Bei der Fiesta im Gymnasium?«
Der Zwerg schnalzte mit der Zunge.
»Rein in den Mist und zustechen. Das wird 'n Spaß,
Mann! Das darfst du dir einfach nicht entgehen las-
sen.«
Lollipop kam näher. Ihre Brüste baumelten aus ihrer
geschnürten Lederweste. Ihre Vorderarme waren voller
Tätowierungen. Schon seit Jahren ließ sie sich vom sel-
ben Knallkopf vögeln.
»Hi, Vito!« zierte sich die Kleine.
»Hi, Lolli!«
»Wann bringst du mir endlich deinen kleinen Bruder
mit, Vito? Ich hätte große Lust, dem netten Kerlchen
kräftig einen zu blasen.«
Der Gnom lachte laut auf. Lollipop wölbte verführe-
risch den Busen.
»Es wird
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