Die Geier
einmal mit diesem Mädchen geschlafen. Von et-
was anderem war nie die Rede. Ist Ihnen so was noch
nie passiert?«
Mescard lächelte.
»Mir fällt es schon schwer genug, mit dem Rauchen
aufzuhören. Aber dieses Mädchen wollte Sie wiederse-
hen, nicht wahr?«
Mouss verzog das Gesicht.
»Sie hat einige Male auf meinen Anrufbeantworter
gesprochen, das stimmt«, gab der junge Mann zu.
Erneut fingerte Mescard an seiner Zigarettenschachtel
herum.
»Ich weiß nicht, wie lange diese Schachtel hier schon
rumliegt, aber der Tabak schmeckt irgendwie ko-
misch ...«
Angeekelt stieß er das Päckchen von sich.
»Warum haben Sie sich seit jener berüchtigten Nacht
nicht mehr mit Ihren Freunden in Saint-Germain ge-
troffen?«
Mouss spürte, wie ihm eine Schweißperle von der
Augenbraue tropfte.
»Ich hatte eine Menge zu tun und ... ich wollte Sylvie
nicht unbedingt wiedersehen.«
Der Inspektor nickte mit dem Kopf.
»Ich verstehe«, murmelte er. »Eine letzte Frage noch,
Monsieur Moussi. Kennen Sie Serge Carron?«
Mouss runzelte die Stirn.
»Er gehört ebenfalls zur Clique, oder?«
»Genau«, bestätigte Mescard. »Wußten Sie von seiner
Beziehung zu Sylvie Vercauteren?«
Unschlüssig verzog Mouss das Gesicht.
»Ich glaube, sie lebten eine Zeitlang zusammen ...«
»Glauben Sie, daß Fräulein Vercauterens unzählige
Abenteuer Carron etwas ausmachten?«
»Wie soll ich Ihre Frage verstehen?«
»Monsieur Moussi, wenn Sie schon so lange bei der
Polizei wären wie ich, dann wüßten Sie, daß es für die in
diesem Land begangenen Verbrechen drei Hauptmotive
gibt: Habgier, Alkohol und Sex. Ich möchte herausfin-
den, zu welcher Kategorie der Mord an diesem Mäd-
chen gehört. Und es will mir einfach nicht gelingen ...
Es muß doch ein Motiv geben für dieses Verbrechen,
verstehen Sie? Vor allem, weil die Mörder sich soviel
Mühe gegeben haben.«
»Haben Sie Serge Carron im Verdacht, Sylvie aus Ei-
fersucht getötet zu haben?« schluckte Mouss.
Mescard schüttelte den Kopf.
»Nein, ich glaube nicht, daß er es war. Ohne seine
Aussagen wäre Sylvie Vercauterens Akte wahrschein-
lich längst in der Schublade mit den Verkehrsunfällen
verschwunden. Aber . . . «
Er machte eine kurze Pause.
»Manchmal gibt es Kriminelle, die für ihre Tat bestraft
werden wollen, ob bewußt oder unbewußt«, sagte er
schließlich.
Er erhob sich und reichte Mouss die Hand.
»Ich danke Ihnen, Monsieur Moussi. Ich hoffe, ich
habe Sie mit dieser Geschichte nicht allzusehr belä-
stigt!«
Da dieses plötzliche Ende des Gesprächs Mouss
ziemlich überraschte, zögerte er einen Moment lang,
bevor er dem Inspektor die Hand reichte. Für ihn war
selbstverständlich noch längst nicht alles verloren, aber
die Tatsache, daß seine Feinde jetzt ganz genau wußten,
wer er war, machte ihm große Angst. Noch konnte er es
sich anders überlegen ...
Eine Minute nachdem er das Büro des Inspektors ver-
lassen hatte, war es bereits zu spät. Einige Meter vom
Kommissariat entfernt wartete der Studebaker. Andere
Geier hatten die unter Mouss' Badewanne versteckten
Dokumente gefunden, und Steve Odds' Anweisungen
waren klar und deutlich ...
Mark Zorski betrachtete die drei nebeneinander aufge-
stellten Särge im Totenzimmer. Riesige Blumenkränze
schmückten den Raum und entspannten die im Haus
herrschende düstere Atmosphäre erheblich. Obwohl
Zorski jeden Tag mit dem Tod in Berührung kam, hatte
er in dieser Nacht die emotionslose Beherrschung des
Chirurgen verloren, diese unglaubliche Gefühlskälte,
die seine Patienten und die Assistenzärzte für Gleich-
gültigkeit hielten. Der strenge Gesichtsausdruck war
milder geworden, doch graue Schatten umgaben die
ausdruckslosen Augen, und ein nervöses Zucken be-
wegte ständig seine Wangen. Nach mißlungenen Ope-
rationen verspürte er oft dieses Verlangen, laut zu
schreien, alles kurz und klein zu schlagen, aber noch nie
hatte er sich derart mutlos, erschöpft und verzweifelt
gefühlt ... Nur mit Mühe konnte er die Tränen zurück-
halten, die ihm in den Augen brannten.
Er konnte die Gründe für dieses Massaker einfach
nicht begreifen. Zwei Beamte der Kriminalpolizei hatten
ihm erklärt, daß es sich wahrscheinlich um das gemeine
Verbrechen einer dieser Gaunerbanden handelte, die
sich in den Vororten von Philadelphia herumtrieben.
Armyans Frau war vergewaltigt worden, und nach dem
dreifachen Mord hatte ein unglaublicher Akt von
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