Die Geier
Wan-
dalismus stattgefunden. Diese Brutalität war der Polizei
nicht neu. In den Vierteln, in denen diese Rowdies sich
gewöhnlich versammelten, waren Razzien geplant.
Zorski hörte den Beamten zu, doch keines ihrer Worte
vermochte er wirklich zu begreifen. Der Schmerz ver-
jagte jede Erklärung. Waren sie umgebracht worden,
weil sie Schwarze waren? Oder weil sie reich waren?
Oder beides zugleich? Um diese Fragen scherte Zorski
sich nicht. Was blieb, war dieses erdrückende Gefühl
der Leere, das sich obendrein noch mit wirren Gedan-
ken vermischte, etwa an diese Pokerpartie, ohne die
Zorski aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt mit den Sim-
bas zusammen hier wäre.
Taumelnd verließ er das Zimmer, durchquerte das
Wohnzimmer und ging unter dem kunstvoll gearbeite-
ten Käfig vorbei, in dem die Kadaver der beiden Kana-
rienvögel verwesten. Seltsamerweise machte niemand,
weder ein Polizist noch der Freund, sich Gedanken dar-
über, woran dieses Vogelpaar gestorben war ... Dabei
lag die Erklärung für dieses Massaker in diesem golde-
nen Käfig, dessen Schatten an den Wohnzimmerwän-
den sanft hin und her schaukelte.
Zorski ging zu seinem Wagen zurück, warf einen kur-
zen Blick auf Simbas weißen Cadillac, gab wütend Gas
und raste ins Central Hospital. Ganz gleich, ob er nun
zurückgetreten war oder nicht, er wollte operieren, er
wollte arbeiten, Herzoperationen oder Blinddarment-
zündungen, Wucherungen oder Transplantationen, es
spielte keine Rolle. Stunden-, tage-, nächtelang wollte
er arbeiten, so lange, bis diese brennende Welle des
Schmerzes, die in ihm aufgebrandet war, sich wieder
gelegt haben würde. Ein anderes Heilmittel kannte er
nicht ...
Der Widerschein des beleuchteten Swimmingpools
warf seltsame wasserförmige Bewegungen an die Zim-
merdecke. Pamela hatte sich auf die Seite gelegt und
war eingeschlafen. Das Satinlaken bedeckte ihre Hüf-
ten. Sie drehte Hugo Russel den Rücken zu. Der Arzt
zögerte, doch er ließ sie nicht aus den Augen. Sollte er
in sein Appartement zurückgehen oder hier bei ihr blei-
ben? Dieses Abenteuer hinterließ einen bitteren Nach-
geschmack in seinem Mund. Pamela hatte seine Zärt-
lichkeiten zurückgewiesen und von ihm verlangt, daß er
sogleich in sie eindringe. Fast unverzüglich war Russel
zum Orgasmus gekommen, aber den Blick aus ihren
blauen Augen, die ihn anstarrten, als würde er sie ver-
gewaltigen, konnte er kaum ertragen. Dieser brutale,
beschämende Liebesakt hatte Russel tief bestürzt. Nun
war ihm noch viel elender zumute, und seine Lust, sich
zu betrinken, war größer als je zuvor.
Pamela bewegte sich im Schlaf, stieß einen leisen
Seufzer aus und drehte sich langsam auf den Rücken.
Hugo betrachtete ihre Brüste und die Narbe, die sie
trennte. Nach wie vor war diese Frau die schönste Frau
der Welt, und wie selbstverständlich gehörte sie dem
mächtigsten Mann der Welt. Scheißwelt. Plötzlich
fühlte Russel sich völlig fehl am Platz. Seine Anwesen-
heit in diesem Bett, an der Seite von Pamela Sirchos,
kam ihm völlig unangebracht vor. Blind vor Verlangen,
war ihm nicht einmal bewußt geworden, welches Maß
an Krankhaftigkeit in Pamelas Einladung lag. Russel
schaute weg. Er hatte sich benommen wie ein Arzt, der
sich an einer Patientin unter Narkose vergeht, wie ein
Sargträger, der ... Ein Angstklumpen schwoll in seiner
Brust an.
Sanft schob er das Laken von sich, stieg aus dem Bett,
hob seine Kleider vom Boden und verließ das Schlaf-
zimmer. Vorsichtig zog er die Tür hinter sich zu und gab
einen erschrockenen, schrillen Laut von sich, als er
Jimmy O'Neal, den Hausmeister und Vertrauensmann
von Alexander Sirchos, auf dem Flur stehen sah. Das lä-
cherliche Abenteuer artete allmählich in eine wahre Ka-
tastrophe aus.
In tadelloser Livree, wie immer perfekt gekleidet, kam
Jimmy den Flur herauf. Sein undurchdringlicher Ge-
sichtsausdruck verriet nicht die geringste Spur von
Verwunderung. Er tat so, als würde er seit Jahren jeden
Abend einem völlig nackten Arzt begegnen, der mit sei-
nen Kleidern in der Hand das Schlafzimmer der Haus-
herrin verließ.
Auf Russels Höhe jedoch blieb er stehen.
»Kann ich etwas für Monsieur tun?« fragte er in völlig
neutralem Ton, ohne den geringsten Anflug von Ironie.
Russel schwankte zwischen der Angst und der offen-
kundigen Absurdität der Situation. In den nächsten
Stunden würde Alexander Sirchos erfahren, was vorge-
fallen war,
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