Die Geier
doch seltsamerweise befreite diese Gewiß-
heit den Arzt von dem Unbehagen, das ihm seit sei-
ner Ankunft in dieser Villa die Kehle zuzuschnüren
drohte.
»Bringen Sie bitte etwas Bewegung in den Swim-
mingpool«, sagte er mit einer erstaunlich klaren Stim-
me. »Ich glaube, ich werde noch einige Längen
schwimmen.«
Jimmy zog eine Augenbraue etwas in die Höhe. Ge-
wiß war das seine Art, auf der Stelle tot umzufal-
len.
»Gut, Monsieur . . . «
»Noch was, Jimmy . . . «
»Ja, Monsieur?«
»Welchen Cocktail würden Sie mir empfehlen?«
Nun zog Jimmy die andere Augenbraue hoch.
»Ich würde Monsieur einen White Lady empfehlen«,
schlug der Hausmeister vor. »Der Erfinder war Sir
Harry Mac Elhone, der Gatte meiner Urgroßmutter. Das
wahre Geheimnis des White Lady wurde von Genera-
tion zu Generation weitervererbt.«
Nun nickte Russel verblüfft mit dem Kopf.
»Einen White Lady also. Bringen Sie ihn mir an den
Swimmingpool ...«
Nach diesen Worten entfernte sich Hugo Russel mit
erhobenem Kinn und einem verkrampft-nervösen Lä-
cheln auf den Lippen.
Es handelte sich um ein altes Modell aus den siebziger
Jahren, um einen Mercury Monterey, dessen Silberfarbe
bereits abbröckelte und dessen Flanken eine mit
schwarzer Farbe ziemlich ungeschickt aufgemalte Auf-
schrift trugen: RIOT SQUAD. Die schwere Limousine
bog von der Küstenstraße ab und rollte langsam durch
die Orangenbaumalleen. Im Wageninnern reichten vier
Jugendliche lachend eine Flasche Scotch herum.
Neben dem Fahrer saß ein erheblich älteres Mädchen
mit schwarzweiß geschminktem Gesicht und einer grel-
len grünen Irokesenfrisur. Die vier Burschen trugen
schwarze Lederhosen und mit Nägeln und verschiede-
nen Stickereien geschmückte Jacken.
»Hör zu, Shelley!« knurrte der Fahrer. »Warum
bringst du uns in diese verfluchte Gegend? Hier wim-
melt es nur so von Bullen.«
»Halt's Maul, Schwanzlutscher!« entgegnete das
Mädchen. »Hier wimmelt es vor allem von Moneten!«
Diese Antwort sorgte im Fond des Mercury für allge-
meines Gelächter.
»Du bist wohl völlig übergeschnappt?« muckte der
Fahrer erneut auf. »In jeder dieser Baracken gibt's
Wächter ...«
Das Mädchen brach in hysterisches Lachen aus.
»Was kümmern uns die Wächter?«
Sie klappte das Handschuhfach auf, nahm den 45er
Colt heraus und drehte sich zu den drei Rowdies um,
die hinten im Wagen saßen.
»Wir haben doch, was wir brauchen, oder?« brüllte
sie.
Daraufhin schwiegen alle. Verlegen schauten die Bur-
schen einander an.
»Oder?« beharrte sie ungeduldig.
Einer der Kerle zog die Nase hoch.
»Natürlich, Shelley, wir haben alles, was wir brau-
chen ...«, murmelte er.
»Eier und Schießeisen!« grinste das Mädchen mit
überschriller Stimme. »Los, heute abend veranstalten
wir mit diesen Arschlöchern eine kleine Fiesta! Wir
werden ihnen zeigen, was Riot Squad ist!«
Ihre Erregung sprang auf die übrigen Insassen der
Limousine über. Alle hatten Respekt vor Shelley. Auch
wenn ihnen an dieser verrückten Expedition irgendwas
nicht ganz geheuer war, so wagte doch niemand, ihr zu
widersprechen.
Mit einem widerlichen Grinsen auf den stark gefärb-
ten Lippen wandte sie sich erneut an den Fahrer.
»Fahr langsamer, die da vorn nehmen wir uns vor!«
befahl sie und zeigte auf eine prächtige weiße, in einem
eindrucksvollen Park gelegene Villa.
»Hör zu, Shelley, mach keinen Mist!« seufzte der Fah-
rer und griff mit den Händen oben ans Steuer.
»Du darfst dich ruhig verdrücken, wenn du Schiß
hast«, entgegnete das Mädchen rücksichtslos.
Sie warf den Kopf nach hinten, und ihr verkrampftes
Lachen dröhnte durch den Wagen.
»Heute nacht will ich mich amüsieren! Und niemand
wird mich daran hindern!«
Wütend wandte sie sich an den Fahrer.
»Aber bevor du mich ficken darfst, mußt du erst ein-
mal beweisen, was du drauf hast!« knurrte sie.
Dann drehte sie sich erneut zu den drei Burschen um.
»Das gilt auch für euch!«
Der in der Mitte nickte mit dem Kopf.
»Wir ... wir bleiben, Shelley«, sagte er wenig über-
zeugend. »Wir folgen dir bis ans Ende der Welt.«
Ein anderer nahm einen kräftigen Schluck Whisky,
wischte sich mit dem Jackenärmel die Lippen ab und
gluckste aufgeregt.
»Bestimmt gibt's in diesem Häuschen einen ver-
dammt gut bestückten Weinkeller!« zischte er gierig.
Shelley zwinkerte ihm zu.
»Den besten Bourbon weltweit, französischen Cham-
pagner, alles, was du willst«,
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