Die Geier
schroff.
Mouss verzog das Gesicht.
»Wir haben einmal miteinander geschlafen, wenn Sie
das meinen«, antwortete er.
Mescard zog mehrmals die Nase hoch und betrach-
tete das weißglühende Ende seines Zigarettensrummels
mit einem Ausdruck heftigen Ekels.
»Ich kann einfach nicht damit aufhören«, murmelte
er. »Es ist stärker als ich. Glauben Sie, daß das an mei-
nem schwachen Willen liegt?«
»Ich weiß nicht«, stammelte Mouss verwirrt.
Mescard lehnte sich in seinem Sessel zurück.
»Einen Großteil meiner Zeit verbringe ich damit, nach
Zigaretten zu suchen, die zu kaufen ich mir verbiete«,
knurrte er leise vor sich hin. »Es ist wirklich zu blöd.«
Wütend zerdrückte er den Stummel in dem leeren
Aschenbecher.
»Fuhr sie schnell?«
»Wie bitte?« schreckte Mouss zusammen.
»Pflegte Fräulein Vercauteren schnell Auto zu fah-
ren?«
Mouss schüttelte den Kopf.
»Soviel ich weiß, fuhr sie überhaupt nicht Auto. Sie
hatte nicht einmal einen Führerschein.«
Mescard warf ihm einen seltsamen forschenden Blick
zu. Mouss hatte das unangenehme Gefühl, durchsichtig
zu sein.
»Wer kann Ihrer Meinung nach, Monsieur Moussi,
ein Interesse daran gehabt haben, Sylvie Vercauteren
verschwinden zu lassen?« fragte Mescard in völlig un-
beteiligtem Ton.
Mouss spürte, daß er erneut zu schwitzen begann. Er
wischte sich die Stirn mit dem Hemdsärmel ab. Dieser
Bulle könnte ihm in der Tat aus der Patsche helfen! Jetzt
oder nie ...
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, stammelte
Mouss anstatt zu sagen, was er wußte.
Mescard kreuzte die Arme und hatte immer noch die-
sen gelangweilten Gesichtsausdruck.
»Ich werde Ihnen sagen, was ich von der ganzen Sa-
che halte, Monsieur Moussi«, sagte er und starrte auf
seine Zigarettenschachtel. »Sylvie Vercauteren wurde
ermordet. Diejenigen, die das getan haben, suchen be-
stimmt nach irgend etwas. Sie haben ihre Wohnung auf
den Kopf gestellt und nach dem Verbrechen sämtliche
Möbel ausgewechselt, um den Mord als Unfall zu tar-
nen. Bedauerlicherweise hätte ich eine Autopsie der
Leiche vornehmen lassen müssen, um das beweisen zu
können. Ich bin fest davon überzeugt, daß Ihre Freun-
din bereits tot war, als ihre Mörder sie ans Steuer des
Wagens setzten. Aber leider sind die Sammler uns zu-
vorgekommen . . . «
Sehr genau beobachtete Mescard die Reaktionen des
jungen Arabers. Mouss schwieg hartnäckig. Allmählich
begann er das Spiel seiner Gegner zu durchschauen.
Die Geier hatten Sylvie ausfindig gemacht (er hätte viel
eher begreifen müssen, daß das nicht besonders schwie-
rig war), sie aller Wahrscheinlichkeit nach zum Spre-
chen gebracht und dann getötet.
»Das alles scheint Sie nicht sonderlich zu überra-
schen, Monsieur Moussi«, fügte Mescard hinzu, listig
wie ein Pavian.
Mouss zuckte mit den Schultern.
»Ich sagte Ihnen doch schon, daß ich sie kaum kann-
te. Sie verkehrte in einer Clique mehr oder weniger mü-
ßiger Künstler. In Saint-Germain-des-Pres habe ich sie
kennengelernt, aber ich wußte so gut wie nichts über
sie.«
»Waren Sie in jener Nacht bei ihr, als dieser Journalist
sich in ihrem Haus aus dem obersten Fenster stürzte?«
fragte Mescard plötzlich.
Mouss zuckte zusammen. Dieser Polizist verwirrte
ihn in der Tat immer mehr. Allmählich bekam der junge
Mann es mit der Angst zu tun.
»Ja, ich glaube, ich war in jener Nacht tatsächlich bei
ihr«, antwortete er vorsichtig.
»Das glauben Sie nur?« fragte der Inspektor erstaunt.
Mouss nickte.
»Nun ja, ich bin sicher«, gestand er schließlich. »Am
nächsten Morgen wurde im ganzen Haus von nichts
anderem mehr gesprochen. Aber ich kann beim besten
Willen keinen Zusammenhang erkennen . . . «
Es war nicht einfach, zu lügen, Theater zu spielen vor
einem Gesprächspartner, dem es scheinbar völlig
gleichgültig war, was man aussagte. Der Inspektor
stellte keine typischen Polizeifragen und führte sein
Verhör nicht so, wie jeder andere Polizist das getan hät-
te. Er verhielt sich eher wie ein Analytiker, ohne sich irgendwelche Gefühle anmerken zu lassen. Er versuchte
eher zu begreifen, als etwas zu erfahren.
»Sie waren es, der die Beziehung zu Fräulein Vercau-
teren abbrach?« fragte Mescard und unterstrich seine
Frage mit einem wenig diskreten Gähnen.
Unruhig rutschte Mouss auf seinem Stuhl hin und
her.
»Ja, genau.«
»Und aus welchem Grund?«
»Ich verstehe nicht«, flüsterte Mouss nervös. »Ich
habe
Weitere Kostenlose Bücher