Die Geier
der junge Mann sich völlig hilflos. Am
liebsten hätte er den Polizisten auf der Stelle alles er-
zählt. Doch der Schnauzbärtige entschärfte diesen
plötzlichen Eifer.
»Möchten Sie lieber erst morgen kommen?« fragte er.
Mouss schüttelte den Kopf.
»Nein, nein ... Gehen wir.«
Die beiden Polizisten schienen zufrieden zu sein und
brachten Mustapha mit einem Mal offenkundig Sympa-
thie entgegen. Daß sie ihn gefunden hatten, war sehr
gut, aber daß sie ihn sogleich ins Präsidium mitnehmen
konnten, war schon eine Glanzleistung.
»Es wird nicht lange dauern«, meinte der Schnauz-
bärtige beruhigend und zugleich erkenntlich.
»Eine reine Formalität«, sagte der andere und drückte
auf den Fahrstuhlknopf.
Insgeheim machte Mouss sich den Vorwurf, in seine
Wohnung zurückgekehrt zu sein, aber gleichzeitig war
er auch froh darüber. Nun würde er die Rolle des Geg-
ners erst so richtig übernehmen. Doch er schauderte bei
der Vorstellung, daß genausogut die Geier ihn hätten
empfangen können ...
Vom Steuer seines Studebakers aus sah Mirko, wie Mu-
stapha Moussi das Haus in Begleitung von zwei Polizei-
beamten verließ. Diese Beobachtung entlockte ihm ei-
nen leisen Fluch. Die Annahme, der Vogel werde nicht
in sein Nest zurückkehren, war falsch gewesen ...
Milan haßte es, Fehler zu begehen. Dennoch war er
nach wie vor überzeugt, daß die Wohnung mehrere
Tage - vielleicht sogar zwei oder drei Wochen lang -
leergestanden hatte. Was war geschehen? Hatte der Er-
presser sein Geheimnis an die Polizei verraten? Milan
erinnerte sich an die Fotos an den Wänden, an den Ak-
tenordner, der gut sichtbar auf dem Schreibtisch lag ...
Er sah, wie das Trio in einen Break Pie stieg. Es sah ab-
solut nicht wie eine Verhaftung aus.
Milan griff in die Tasche seiner Lederhose, zog ein
Stückchen Papier heraus, faltete es auseinander und
schnupfte gierig den ihm noch verbliebenen Koks ...
Der Geier warf den Umschlag auf den Beifahrersitz
des Studebakers. Irgend etwas an dieser ganzen Ge-
schichte hatte er noch nicht herausgefunden ... Er ver-
suchte, sich die verschiedenen Möglichkeiten auszuma-
len. Unmöglich, daß dieser junge Araber nur ein Lock-
vogel der Polizei war, um die Z.S.A. in die Falle zu lok-
ken. Odds wurde von gewissen Leuten bei der Polizei
kräftig unterstützt.
Vielleicht war Moussi in eine andere Sache verwickelt
und nun geschnappt worden? Was angesichts seiner of-
fenkundig freundlichen Behandlung durch die Bullen
jedoch ebenfalls auszuschließen war.
Milan knurrte verärgert und griff nach dem Autotele-
fon. Dann wählte er die Nummer der Direktverbindung
zu Steve Odds.
Langsam richtete Hugo Russel sich auf, warf einen letz-
ten Blick auf die Oberfläche des Swimmingpools und
stieg müden Schrittes die Treppe zur Villa hoch. Jede
seiner Bewegungen drückte Enttäuschung und Ver-
zweiflung aus. Eben hatte er sich innerlich sogar über
seinen eigenen Zustand lustig gemacht. Wie sollte er
sich ernstlich um Pamela sorgen und kümmern können,
wenn er nervlich selbst völlig am Ende war . . . ? Fast
eine Stunde lang hatte er allein am Schwimmbecken ge-
sessen und gedankenverloren in das blaugrüne Licht
der fluoreszierenden Lampen gestarrt. In der Zeit hatte
er sich alles ganz genau überlegt. Nach Alexander Sir-
chos' Rückkehr würde er ihn unverzüglich um eine wei-
tere Unterredung bitten und seinen Rücktritt einrei-
chen. Ganz gleich, wie dieser wahnsinnige Megalo-
mane darauf reagieren würde! Paradoxerweise gab
diese zermürbende Verzweiflung ihm ein tiefes Gefühl
von Unverwundbarkeit. Sirchos würde ihm nichts an-
haben können. Nichts ...
Er schob den Bambusvorhang zur Seite und ging un-
verzüglich zur Bar, die aus einem Aquarium bestand, in
dem unglaublich vielfarbige Fische dämlich-unbeküm-
mert umherschwammen. Plötzlich wurde Russel sich
bewußt, daß er in diesem Haus alles zu hassen begon-
nen hatte, jedes Dekor, jedes Möbelstück ... Die un-
wichtigsten Einzelheiten, jedes auch noch so kleine Ob-
jekt erinnerte ihn an dessen Besitzer, lag an einem Platz, der ihm seit ewigen Zeiten zuzustehen schien, gemäß
einer paranoiden Ordnung, die nichts und niemand je
anzufechten wagte.
In seiner Naivität hatte er geglaubt, der berühmte
Mark Zorski wäre imstande, den Milliardär in die
Schranken zu verweisen; er hatte geglaubt, es gäbe
noch Menschen, eine medizinische Ethik, die der Macht
des Geldes trotzen
Weitere Kostenlose Bücher