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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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Vorwarnung begann das Telefon, das Freizeichen in ihr Ohr zu tuten. Ungläubig saß sie einen Moment lang da, die Worte noch auf der Zunge, das Telefon immer noch schweißnass an ihrer Wange. Mit Daumen und Zeigefinger massierte sie sich die Nasenwurzel, bevor sie noch einmal seufzte und den Hörer auflegte.
    »Alles okay?«, erkundigte sich Marty.
    Sie winkte ab. Aus langjähriger Erfahrung wusste er, dass dies nicht der richtige Augenblick war, um nachzuhaken. Er sah, wie sie sich zusammenriss.
    »Was hast du da exklusiv?«, fragte sie.
    »Die Übernahme«, sagte er vorsichtig. »Der Moment, in dem dieser Driver das Gefängnis übernommen hat.«
    »Und wie sind wir in den Besitz dieses exklusiven Materials gekommen?«
    »Das möchtest du lieber nicht wissen.«
    Melanie nahm ihn beim Wort und vertiefte das Thema nicht weiter. Sie hatte sich längst mit den Tatsachen ihres Berufes abgefunden. Ihr Job war es, eine Story zu bekommen und sie der Öffentlichkeit zu präsentieren. Nebenbei verkauften sie Werbezeiten für die Sendung. Je erfolgreicher die Sendung, desto teurer die Werbezeiten. Was nötig war, um die Story überhaupt zu kriegen, spielte fast keine Rolle. Solange die Mittel nicht absolut illegal waren und die Story nicht absolut frei erfunden war, konnten sie alle anderen Vorwürfe mit dem Argument des ›Rechtes der Öffentlichkeit auf Information‹ abwehren.
    Etwas an der Art, wie er dastand, machte sie aufmerksam.
    »Und es gab keinerlei Probleme?«
    Er zuckte halbherzig die Achseln und wandte den Blick ab. »Die andere Seite ist ein bisschen heikel. Nur ein wirklich kleiner Kreis hat den Film zu sehen bekommen.«
    »Und?«
    »Also wird's wohl nicht lange dauern, bis sie draufkommen, wo bei ihnen die undichte Stelle ist.«
    Sie musterte ihn eingehend und rieb sich mit der manikürten Hand das Handgelenk. »Und somit auch, wer bei uns das Gegenstück dazu ist.«
    »Ja«, gestand er ein.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte sie schnell. »Wir können nicht viel Druck abfedern. Im Moment …«
    »Wir sind absolut sauber«, beharrte Marty.
    Sie blieb skeptisch. »Wie das?«
    »Ich habe Jimmy den Kontakt herstellen lassen«, sagte er und meinte damit einen der zahlreichen Produktionsassistenten, die die Studios bevölkerten. »Niemand sonst aus dem Team war irgendwie beteiligt. Die Sendung wurde nicht erwähnt. Klare Sache, Lieferung gegen Bares.«
    »Bist du sicher, dass die Sendung nicht genannt worden ist?«
    »Absolut.«
    So wie er den Ablauf beschrieben hatte, konnte er nicht absolut sicher sein, doch in ihrer Branche wurde häufig blindes Vertrauen verlangt. Sie ließ es dabei bewenden.
    »Und wenn irgendjemand nach Jimmy sucht?«
    Martys Kleinjungenlächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. »Ich habe ihn zurück nach L.A. geschickt. Hab ihm 'ne Woche Urlaub gegeben.« Bevor sie etwas sagen konnte, sprach er weiter. »Bezahlt natürlich«, setzte er augenzwinkernd hinzu. »Der Junge fährt mit seiner Freundin nach Cancún.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch. »Und das ist es wert?«
    »Das hier« – er wedelte wieder mit der DVD-Hülle herum – , »das hier bringt uns wieder ans obere Ende der Nahrungskette.«
    Sie zeigte auf die Konsole mit Fernseher, Videorekorder und DVD-Player.
    »Schmeiß das Ding an«, wies sie ihn an. »Mal sehen, was du hast.«
    Sie legte so viel positive Energie in ihre Worte, wie sie nur aufbringen konnte. Sie hatte das schon oft erlebt, nur um hinterher enttäuscht zu werden. Schon lange hatten sie keine echte Exklusivstory mehr gehabt. Zumindest nichts, was den Wirbel wert gewesen wäre, der darum gemacht wurde. Nach so vielen falschen Alarmen fiel es ihr schwer, Begeisterung für etwas aufzubringen, das sie noch nicht gesehen hatte.
    Der Bildschirm erwachte flackernd zum Leben. Melanie sah schweigend zu, wie Driver sich Zugang zum Kontrollzentrum verschaffte. Als Driver die Klaviersaite um den Hals des Wachmanns schlang, hielt es sie nicht mehr auf ihrem Platz. Mitgerissen stemmte sie sich wie von einer Schnur gezogen mit den Armen hoch, bis ihre durchgestreckten Ellbogen sie fast über der Sitzfläche schweben ließen und ihr roter Mund offen stand wie eine Wunde.
    Der Bildschirm rollte. Sie ließ sich in den Sessel zurückfallen. »Oh mein Gott«, flüsterte sie. »Können wir das zeigen?«
    »New York sagt, solange wir das Gesicht des Toten unkenntlich machen, können wir es zeigen – so wie es ist.« Marty schaute auf seine Uhr. »Vielleicht schieben wir es morgen

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