Die Geisel
wussten Sie auch. Haben Sie ihn schon geschnappt?«
Ihr einträchtiges Schweigen offenbarte die Antwort. »Rückblickend sieht es aus, als hätte dieses Informationsbröckchen auch nicht wirklich was genützt, oder?«, meinte Corso.
»Man kann nicht wissen, wie es gekommen wäre, wenn Sie und diese Harris sich rausgehalten und uns unseren Job hätten machen lassen.«
»Sie hat nur ihren eigenen Job gemacht«, entgegnete Corso.
»Das Recht der Öffentlichkeit auf Information und all das«, warf Westerman ein.
»Vergessen Sie das nie«, schnappte Corso.
Der Koch kam zurück, in den Händen Plastiktüten voller Styroporboxen. Er stellte die Tüten vor Corso auf den Tresen und las die Bestellung durch: »Zwei große Kaffee, einer mit Milch und Zucker, einer schwarz«, sagte er schließlich. Corso nickte zustimmend.
»Sechzehn Dollar und zwölf Cent«, verkündete der Mann.
Corso warf einen Zwanzigdollarschein auf den Tresen, nahm die Tüten und ging zur Tür. Rosen und Westerman folgten in seinem Kielwasser.
»Hört sich an wie ein Frühstück für zwei«, kommentierte Westerman.
Corso sah Rosen an: »Die merkt aber auch alles, was?«
Er ging rückwärts durch die Tür, drehte sich dann um, um über den gegossenen Betonbordstein zu steigen, und streckte seine langen Beine, machte es jedem, der kleiner war als er, schwer, ihm zu folgen.
Es stellte sich heraus, dass seine Bemühungen unnötig waren. Rosen und Westerman folgten ihm nicht weiter als bis zu dem dunkelblauen Lincoln auf dem Parkplatz.
Corso hatte bereits die Hälfte der Strecke zu seinem Zimmer hinter sich gebracht, als der Lincoln an ihm vorbeirollte und mit gleichmäßigen fünfzehn Stundenkilometern in Richtung Westen langsam bergauffuhr. Vielleicht weil er durch den Wagen abgelenkt war, ging er ganz bis zu seiner Tür zurück, bevor ihm auffiel, dass etwas fehlte. Ein ›Was stimmt an diesem Bild nicht?‹-Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit.
Er schaute sich um, konnte sich jedoch nicht recht erklären, was ihn störte. Erst als er seinen Blick zum zweiten Mal bergab zum Parkplatz wandern ließ, ging ihm ein Licht auf, und sein Magen nahm den Aufzug hinunter zu seinen Schuhspitzen. Er blinzelte zweimal, dachte, er müsse sich irren, sah dann hinauf zu Martys Mietwagen und dem Motelbüro. Es gab keinen Zweifel. Das Wohnmobil war weg.
40
Ray Lofton stand auf der vorderen Stoßstange und fächelte dem dampfenden Kühler mit seinem Hut Luft zu. Auf dem Boden neben ihm stand ein weißer Plastikkanister mit zwanzig Litern Wasser, ein Vorrat, den er für Zwischenfälle wie diesen hier immer hinten im Wagen hatte, doch im Augenblick war der Kühler viel zu heiß, um auch nur daran zu denken, den Deckel abzuschrauben.
Diesen Fehler hatte er schon einmal gemacht. Die Geduld verloren und versucht, den Kühler nur mit einem Hemdzipfel zwischen seiner Hand und dem Deckel zu öffnen. Das verdammte Ding war hochgegangen wie der Mount St. Helena und hatte ihn ordentlich verbrüht. Den ganzen nächsten Monat hatte er unter einem Salbenverband verbracht. Die Leute bei der Arbeit hatten ihn nur noch Schmierlappen genannt. Allesamt Arschlöcher.
Das Problem war heute gewesen, dass das alte Mädchen seinen Schwung verloren hatte, als er angehalten hatte, um Silent Bob hinten in Jenner Park rauszulassen. Eigentlich hatte er sie unten in der Ebene bis in den dritten Gang hochjagen und sie dann den ganzen Weg nach oben so fahren wollen. Solange man sie so gemütlich mit fünfzig Sachen im dritten Gang entlangtuckern ließ, war sie guter Dinge. Heute jedoch, mit dem Halt mitten im steilsten Stück des Anstiegs, hatte er nicht mehr genug Schwung gekriegt, um aus dem zweiten Gang hochzuschalten. Und so war er die letzte halbe Stunde mit ungefähr dreißig den Berg hinauf gekrochen und hatte den Zeiger der Temperaturanzeige langsam in den roten Bereich wandern sehen, bis es so schlimm wurde, dass ihm nichts anderes übrig geblieben war, als an einer Ausweichstelle rauszufahren und den Motor auszuschalten.
Ray kletterte von der Stoßstange und setzte sich den Hut wieder auf. Er fühlte, wie ein Fluch in ihm aufstieg. Es würde mindestens eine Stunde dauern, bis er sie wieder anlassen und sich auf den Weg machen konnte. Und nicht nur das, er musste auch noch zu der Lodge in White Lake fahren. Die hatten dort an den letzten beiden Wochenenden Hochzeitsempfänge gehabt und mussten jetzt den Müll loswerden. Zur Lodge allein brauchte er pro Weg schon eine
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