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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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zudem bot das letzte Jahr des Noviziats ihr mehr Freiheiten. Die künftigen Ordensfrauen wurden weniger zur Arbeit angehalten als zum Beten. Kontemplation war erwünscht, und wenn sich eine von ihnen zurückzog, ging man eher von einer Zwiesprache mit Gott aus als von der mit einem slawischen Ritter.
    Was Miladin anging, so war er Barbara zweifellos verfallen, aber Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft für die beiden sah Amra nicht. Miladin war ein Ritter ohne Land, der vierte Sohn seines Vaters. Er diente seit seiner Schwertleite auf der Mikelenburg und war damit eigentlich ganz zufrieden. Als persönlicher Bote Pribislavs hatte er auch schon einige der Kämpfe mitgemacht, mit denen Pribislav die Dänen immer noch im Auftrag Herzog Heinrichs abstrafte. Im Sommer war er denn auch mehrere Wochen lang weggeblieben. Barbara hatte die Zeit in verzweifelter Angst und Erwartung verbracht und stundenlang für ihren Ritter gebetet.
    »Was versprichst du dir nur davon?«, fragte Amra, als sie die junge Frau selbst in der Freistunde der Ordensfrauen in der Kirche auf den Knien vorfand. »Einerseits glaubst du, dass Gott deine Liebe zu Miladin missbilligt, aber andererseits soll er ihn auf dem Feldzug schützen. Wenn er dich strafen wollte, müsste er doch gerade dafür sorgen, dass dein Ritter nicht zurückkommt.«
    Barbara wandte ihr ein tränenüberströmtes Gesicht zu.
    »Gott ist barmherzig«, murmelte sie, was allerdings mehr wie eine Frage klang als wie eine Feststellung. »Er wird … er wird Miladin nicht für meine Verfehlungen büßen lassen.«
    Amra machte sich Sorgen um das Mädchen, das hin- und hergerissen schien. Barbaras Ritter machte sie glücklich, aber Gott war sie versprochen, und sie sah keine Möglichkeit, die Entscheidung ihres Vaters rückgängig zu machen. Den Gedanken an die Ewigen Gelübde schob sie offensichtlich vor sich her, während Miladin gar nicht zu verstehen schien, was man darunter verstand.
    Der Ritter machte sich jedenfalls keine Sorgen. Amra hatte den Verdacht, dass er ganz zufrieden damit war, seine Liebste hier wohlverwahrt zu wissen, bis es vielleicht doch einmal klappte mit einem Lehen. Im Herbst kehrte er denn auch bei guter Gesundheit und bestens gelaunt zurück. Nein, sonderlich ausgezeichnet hatte er sich nicht auf dem Feldzug, aber doch einen Anteil an der Beute erhalten. Pribislav war großzügig gewesen, schließlich waren den Obodriten zwar keine großen Schätze, doch reichlich Sklaven in die Hände gefallen. Sie hatten die dänischen Inseln regelrecht entvölkert. König Waldemars Volk büßte schwer für den Verrat ihres Königs an Heinrich dem Löwen.
    Als der Winter den Herbst ablöste, fragte Amra sich erneut, wo Magnus steckte, und begann, sich Sorgen um ihn zu machen. Gut, er hatte nicht versucht, sie zu befreien, sie hoffte jedoch, dass er weiter darum kämpfte, sich ein Lehen zu erwerben. Vielleicht jetzt im Dienste seines Verwandten König Waldemar. Aber was war, wenn er dabei zu viel riskierte? In ihren dunkelsten Stunden – sie verbrachte endlose Stunden grübelnd und frierend in der Kirche, während ihre Lippen die Worte der Lieder, Psalmen und Gebete inzwischen wie selbstverständlich mitmurmelten – sah sie ihn blutend und sterbend auf einem Schlachtfeld oder in Fesseln auf einem Sklavenmarkt.
    Immerhin gab es einen Lichtblick – die Äbtissin hatte beschlossen, dass Amra die Ewigen Gelübde noch nicht ablegen sollte, obwohl sich ihr Aufenthalt im Kloster zur Jahreswende jährte. Noch immer mangelte es ihr an Demut und Gehorsam, und das, obwohl sie inzwischen viel besser mit den Klosterregeln zurechtkam. Amra schlief zwar noch manchmal im Gottesdienst ein, aber jetzt war Barbara wachsam und pflegte sie rechtzeitig zur nächsten Hymne zu wecken. Außerdem hatte sie den Tagesablauf besser unter Kontrolle und kam gewöhnlich pünktlich zu den Mahlzeiten und Stundengebeten. Durch Eifer zeichnete sie sich allerdings immer noch nicht aus.
    Die Äbtissin reagierte sehr unwirsch, als sie Amra einmal dabei ertappte, die Verfehlungen zweier Mitschwestern nicht zu melden. Die beiden Novizinnen – noch halbe Kinder – hatten beim Jäten im Garten geholfen und dabei unausgesetzt miteinander geplaudert und gekichert. Amra sah darüber hinweg, aber eine andere Schwester hatte es bemerkt. Bei der nächsten Versammlung wartete sie zunächst vergeblich darauf, dass Amra die Mädchen verriet – um dann gleich alle drei anzuschwärzen.
    »Schon wieder du, Schwester Anna

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