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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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sie sich fürchtete, hasste sie die Arbeit in den Ställen und im Garten.
    »Ich werde ganz harte Hände davon bekommen«, klagte sie. »Und wenn ich mir Erfrierungen hole und meine Finger steif werden, kann ich nie wieder so feine Pinselstriche machen wie bisher.«
    Amra fand zwar, dass man in der eisigen Kirche eher Gefahr lief, dass einem Finger und Zehen abfroren, als im Kuhstall, aber sie hielt sich mit dieser Überlegung zurück und tröstete Barbara lieber damit, dass Mutter Clementia sie sicher bald an ihr Schreibpult zurückholen würde. Amra hatte am Hof zu Braunschweig gehört, was Bibeln wie die des Herrn Pribislav kosteten. Die Novizin Barbara verhalf dem Kloster mit ihrer Kunst zu einem kleinen Vermögen, ganz sicher würde die Oberin dieses Talent nicht vergeuden. Die Strafe diente der Disziplinierung, und wenn Barbara sich weiter nichts zuschulden kommen ließ, würde sie in absehbarer Zeit abgegolten sein.
    Dann jedoch wurde alles anders. Amra hockte an einem sonnigen, aber kalten Vormittag im Schatten der Klostermauer und erntete Kohl. Ihr lief dabei das Wasser im Munde zusammen – was könnte man mit etwas Speck aus diesem Gemüse machen, statt es nur in Wasser zu kochen und dann mit Heringen zu servieren, wie die Küche des Klosters es zweifellos tun würde. Amra ergab sich den Träumen von Grünkohl mit Würsten oder Pökelfleisch – als plötzlich ein Schatten auf sie fiel. Erschrocken richtete sie sich auf und sah einen jungen Mann, der sich eben von der Mauer aus in den Küchengarten herunterhangelte. Ihr entfuhr ein kleiner Laut des Erschreckens, der den Ritter auf sie aufmerksam machte. Denn ein Ritter oder Knappe musste es wohl sein, der sich hier ins Kloster einschlich. Er trug lederne Beinlinge und einen Wappenrock. Als er Amra entdeckte, ließ er sich in das karge Wintergras unterhalb der Mauer fallen und legte lächelnd einen Finger an die Lippen.
    »Psst, verratet mich nicht!«, meinte er vergnügt. »Ich dürfte nämlich nicht hier sein.«
    Amra griff sich an die Stirn. »Was Ihr nicht sagt!«, höhnte sie. »Herr Ritter, dies ist ein Frauenkloster. Ich weiß nicht, welche Strafen darauf stehen, hier einzubrechen, aber wenn es unter Kirchenschändung fällt, geht Ihr dafür Eurer Ritterehre verlustig!«
    »Aber nein, ich will doch niemanden schänden!«
    Der Ritter sprach Deutsch, aber mit einem Akzent, der dem Amras ähnelte. Und auch er schien sich mit den Feinheiten der Sprache und erst recht mit denen seines neuen Glaubens noch schwerzutun.
    »Ich suche nur Schwester Barbara.«
    Amra seufzte und bemühte sich um einen strengen Ton. »Herr Miladin, nehme ich an. Habt Ihr das Mädchen nicht schon genug in Schwierigkeiten gebracht?«
    Der Ritter blickte zerknirscht. Er hatte ein freundliches, noch jungenhaftes Gesicht, in dessen Wangen Grübchen erschienen, wenn er lächelte. Sein langes braunes Haar fiel ihm in wirren, schwer zu bändigenden Locken bis auf die Schultern. Miladin war von kräftiger Gestalt, nicht sehr groß, aber muskulös und bodenständig.
    »Das habe ich gehört«, meinte er. »Obwohl ich mir keiner Schuld bewusst bin. Ich diene Herrn Pribislav von Mikelenburg als Bote, wisst Ihr, und ich habe schon oft mit Schwester Barbara gesprochen. Ein so hübsches Ding – es dauert mich, dass man sie hier einsperrt. Aber ich habe ihr doch nie etwas getan. Ich habe sie auch nicht angefasst, wie man mir jetzt vorwirft. Das alles war doch nur ein Missverständnis. Diese Mutter Clementia wollte mich ja nicht mal anhören, deshalb bin ich auch gegangen, als sie das so dringend von mir verlangte. Ich dachte, Schwester Barbara hätte das längst geklärt, doch als ich jetzt wieder vorsprechen wollte … diese Frau Äbtissin gebärdet sich, als hätte ich einen Tempel geschleift!«
    Amra hätte beinahe gelacht. So wie Miladin es ausdrückte, musste sie hier weniger an christliche Gotteshäuser als an den heiligen Grund vor dem Standbild des Svantevit denken.
    »Jetzt will sie mich bei Fürst Pribislav melden. So ein Aufstand wegen ein paar Grußworten …«
    Amra runzelte die Stirn. Eben hatte sie noch gedacht, der Ritter sorge sich um Barbara, aber jetzt … was wollte er? Eine Aussage der Schwester, um abzuwenden, dass man ihn bei seinem Fürsten anschwärzte?
    »Schwester Barbara kann Euch da auch nicht helfen«, sagte sie steif.
    Miladin schaute verwirrt. »Helfen? Wieso … ach, wegen des Fürsten … keine Sorge, da habe ich nichts zu befürchten. Den kratzt es nicht,

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