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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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er sich vor einer plötzlich auftauchenden Schwester geflüchtet hatte.
    »Ich wusste gar nicht, dass die hierherkommen«, meinte er verlegen, als er ihr plötzlich gegenüberstand. »Bis jetzt war doch nie jemand hier außer Euch …«
    »Wie sich wahrscheinlich auch auf Eurer Mikelenburg niemand im Winter bei den Ställen herumtreibt, der dort nichts zu suchen hat!«, fuhr Amra ihn an. »Während das Heu im Sommer auf manche Leute durchaus anziehend wirkt … Herr Miladin, das muss aufhören! Den anderen Schwestern ist es keineswegs verboten, in den Nutzgärten spazieren zu gehen – nicht auszudenken, dass sie Euch irgendwann beim Klettern über die Mauer ertappen!«
    »Aber würden sie mich denn verraten?«, fragte der junge Ritter treuherzig. »Ich meine … Ihr schweigt doch auch.«
    Amra seufzte. »Dies ist kein Minnehof, Herr Miladin, in dem sich die Mädchen einen Spaß daraus machen, die Anstandsdamen zu übertölpeln. Eine Nonne ist so etwas wie … na ja, die Braut des Herrn. Wenn Ihr Euch mit Barbara trefft, dann betrügt Ihr nicht irgendeinen Verlobten, mit dem Ihr Euch dann vielleicht vor versammelter Ritterschaft um sie schlagen könnt, sondern … Ihr betreibt gewissermaßen Kirchenschändung, versteht Ihr?«
    Miladin sah Amra an, als sei sie nicht recht bei Trost. Die rieb sich die Stirn. Sie sah schwarz für das junge Paar – Miladin hatte keine Ahnung, welche Risiken er einging, und noch weniger wusste er, wie schlimm es für Barbara werden konnte.
    Und dann traf sie eines Tages auch noch beide gemeinsam im Stall an – und konnte gerade noch rechtzeitig wieder hinaus, als sie die Kellermeisterin und die Schwester Apothekerin im Garten reden hörte.
    »Sucht Ihr mich?«, fragte sie mit klopfendem Herzen. Wenn das der Fall war, hätten die beiden wohl gleich den Stall betreten.
    Die Kellermeisterin lächelte Amra zu. Sie schätzte die junge Novizin und war schon mehrfach für sie eingetreten, wenn sie sich wieder irgendwelcher Verfehlungen schuldig gemacht hatte. Aber über Miladins und Barbaras Stelldichein im Stall hätte natürlich auch sie nicht hinweggesehen.
    »Es geht um die Anlage der Beete, Schwester Anna. Schwester Mechthild möchte den Bereich für die Heilpflanzen ausweiten … Was meinst du, wo können wir Platz schaffen?«
    Amra verbrachte eine enervierende Stunde mit den Ordensfrauen im Garten und konnte dabei nur hoffen, dass auch Miladin und Barbara die beiden gehört hatten und wussten, in welcher Gefahr sie schwebten. Doch zum Glück rührte sich nichts im Stall. Schwester Gundula und Schwester Mechthild machten sich schließlich zur Komplet in die Kirche auf.
    »Du solltest am besten gleich mitgehen«, mahnte Schwester Gundula die aufatmende Amra. »Nicht, dass du wieder zu spät kommst und wir dir das Nachtmahl streichen müssen …« Die Schwestern taten stets so, als verhängten sie die Strafen für die Novizinnen nur tränenden Auges.
    »Ich komme sofort nach!«, versprach Amra.
    Ihr war der Appetit allerdings ohnehin vergangen. Aber nun konnte sie wenigstens in den Stall gehen, Entwarnung geben und das Paar befreien. Sie sprach erneut ein paar mahnende Worte, und Barbara war in Tränen aufgelöst.
    Die kleine Novizin empfing ihren Ritter trotzdem weiter, und Amra mochte es ihr auch nicht durch zu viele Vorhaltungen vergällen oder gar ihre Mithilfe verweigern. Sah sie doch, wie das schüchterne junge Mädchen aufblühte, wie seine Wangen sich röteten, seine Augen strahlten. Barbara war zum ersten Mal in ihrem Leben glücklich, und Amra war die Letzte, die das Glück zerstören wollte. Sie hoffte nur, dass es nicht auch anderen Schwestern auffiel.
    Zum Herbst hin begannen jedoch noch weitere Novizinnen von innen heraus zu strahlen. Selbst Agatha wirkte so beseelt, dass sie kaum noch ein Auge für die Verfehlungen ihrer Mitschwestern hatte. Der Grund dafür war das herannahende Ende ihres Noviziats. Im nächsten Jahr würden sie ihre Ewige Profess ablegen und sich damit für den Rest ihrer Tage dem Kloster versprechen. Einige machte es überglücklich, waren sie damit doch am Ziel ihrer Wünsche. Auf andere traf jedoch das genaue Gegenteil zu. Für sie bedeutete das Ablegen des Ordensgelübdes das Ende ihrer verzweifelten Hoffnung darauf, dass doch noch ein Wunder geschehen und ihr Vater sie aus dem Kloster holen und verheiraten würde. Sie machte diese letzte Zeit des Hoffens melancholisch oder rastlos.
    Barbaras aufgewühlter Seelenzustand fiel folglich nicht auf, und

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