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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Magnus. Was ist es genau, was man dir da vorwirft?«
    Sie stellte die Laterne an den Rand des Verlieses, sodass sie beiden genug Licht bot, sich zu sehen. Magnus bot einen erbarmungswürdigen Anblick, er war bleich und durchgefroren, seine Unterlippe war aufgeschlagen und sein rechtes Auge fast zugeschwollen. Wahrscheinlich hatte er sich dagegen gewehrt, angekettet zu werden, und Pribislavs Männer hatten ihn geschlagen.
    »Ich meine … Niklot hat doch dich gefordert, nicht umgekehrt. Du musstest mit ihm kämpfen«, führte Amra weiter aus.
    Magnus nickte grimmig. »Ja. Aber ich hätte ihn nicht auf den Stufen des Gotteshauses erschlagen dürfen. Ein paar Fuß weiter weg, und sie hätten mir nichts anhaben können. Ein ritterlicher Zweikampf ist ein ritterlicher Zweikampf. Wahrscheinlich hätte mich die Sache nicht beliebter bei Heinrich und Waldemar gemacht, ganz zu schweigen von Fürst Pribislav. Aber sie hätten mich ziehen lassen müssen … Jetzt dagegen versuchen sie, mich wegen Blutvergießens auf heiligem Boden zu belangen. Dieser verfluchte Vaclav! Niemand anders wäre auf die Idee gekommen.«
    Amra lächelte. »Wenn wir zusammenkommen wollen, müssen wir wohl immer zuerst einen Tempel schänden«, bemerkte sie und dachte wieder einmal an das Heiligtum des Svantevit. »Und uns dabei von Vaclav von Arkona erwischen lassen.«
    Magnus biss sich auf die Lippen. »Du darfst das nicht so leicht nehmen, Liebste«, sagte er ernst. »Kirchenschändung gilt als schwere Sünde. Man kann dafür seiner Ritterwürde verlustig gehen.«
    Amra seufzte. »Aber in Kirchen wird doch ständig gekämpft!«, wandte sie ein. »In jedem Krieg! Kirchen werden angezündet und Klöster geschleift und …«
    Magnus zuckte die Schultern. »Wo kein Ankläger ist, da ist auch kein Richter. Wobei der Ankläger in diesem Fall ein Adliger sein muss, ein paar Bauern gelten nicht. Und damit sind wir auch schon beim schlimmsten Vorwurf: Ich habe das Schwert nicht erst auf den Stufen dieses Gotteshauses gezogen, sondern bereits in der Kirche, als dieser Kerl dich angefasst hat. Wenn sie das schon als Kirchenschändung werten, dann war ich kein Ritter mehr, als Niklot mich forderte. Also konnte ich ihn auch nicht im ritterlichen Zweikampf erschlagen.«
    »Aber das ist doch Haarspalterei!«, erregte sich Amra.
    »König Waldemar könnte das überaus ernst nehmen«, meinte Magnus. »Und Heinrich nicht minder, vom Bischof ganz abgesehen. Und erst mal Pribislav … Ich habe seinen Bruder getötet und allen ihr Fest verdorben, das nehmen sie mir übel. Wenn sie eine Möglichkeit sehen, mich dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dann werden sie es tun. Und damit wären es überaus tödliche Spitzfindigkeiten: Ein einfacher Mann darf einen Adligen nicht töten. Egal unter welchen Umständen, es gilt immer als Mord. Dafür können sie mich hängen, Amra! Und glaub mir, sie werden es tun!«
    Amra schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein! Das werde ich nicht zulassen! Wir werden fliehen, ich hole dich hier heraus!«
    Magnus sah sich in seinem Kerker um und lächelte müde. »Aber wie denn, Amra? Eine Ratte zu fangen, wird diesmal nicht reichen – wobei es hier viele davon gibt, ich kann mich kaum retten vor ihnen. Du müsstest erst den Schlüssel für diese Ketten besorgen, mir hier heraushelfen … und dann wären wir immer noch innerhalb der Burg. Die Mikelenburg liegt nicht an einer Klippe, die wir einfach herunterklettern können. Wir müssten durch eines der Tore.«
    Amra zuckte die Schultern. »Ich schaffe das«, behauptete sie. »Irgendetwas wird mir einfallen. Glaub mir, Magnus, ich hole dich hier heraus!« Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Du willst doch fliehen, nicht?«
    »Das will ich«, sagte Magnus. »Und ich will dich. Ich war mir nie einer Sache so sicher. Aber ich fürchte, dass es nun zu spät dafür ist. Ich habe meine Chance vertan, Amra, ich hätte dich niemals nach Braunschweig bringen dürfen. Vielleicht ist es ganz gerecht, wenn ich jetzt dafür büße.«
    Amra nahm ihre Laterne und stand auf. »Nein, das ist es nicht«, gab sie zurück. »Ich muss gehen, sie werden mich bei dieser Totenwache vermissen. Aber ich denke nur an dich, Magnus. Ich liebe dich.«
    Magnus sah ihr ernstes, schönes Antlitz im Licht, dann blies Amra die Kerze aus und verließ den Turm. »Auch ich liebe dich«, flüsterte er.
    Und hoffte, dass er sie noch einmal wiedersehen würde, bevor der Bischof und der Fürst das Urteil über ihn sprachen.

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