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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Wenn ihr … wenn wir dafür immer in die Siedlung gehen müssen, kommen wir tagelang nicht zur Ruhe. Das … das Aufbahren machen gewöhnlich Ordensschwestern, aber ich glaube, hier gibt es kein Frauenkloster. Vielleicht tun es die Mönche. Sonst … sonst müssen die Frauen der Familie …«
    Sie schüttelte sich bei dem Gedanken, Niklots toten Körper waschen und ankleiden zu müssen.
    »Ich werde nach der Hebamme schicken«, erklärte Relana, erleichtert, etwas zur Regelung der Angelegenheit beitragen zu können. »Sie hat das schon immer gemacht, und sie ist eine weise Frau. Das kommt einer Nonne wohl am nächsten …«
    Der Bischof mochte das zwar anders sehen, aber Amra nickte der Fürstin aufmunternd zu. »Es gibt bestimmte Regeln, nach denen der Ritter aufgebahrt wird«, fügte sie dann noch hinzu, »je nachdem, ob er in ritterlichem Kampf gefallen ist oder ob er als Gefangener starb. Aber da kenne ich mich nicht so aus, fragt Herrn Heribert.« Der Ritter würde das zweifellos wissen. »Und dann werden Totenmessen gelesen. Viele, sehr viele, tagelang, auch noch nach der Bestattung. Und wir müssen Totenwache halten.« Amra rieb sich die Stirn. »Ach ja, und … und man zieht Kerzen mit seinem Wappen. Das machen auch die Nonnen … und man stellt seine Waffen aus.«
    Relana lauschte aufmerksam und begann gleich, ihren Dienerinnen Anweisungen zu erteilen.
    »Was wird nun wohl aus dir?«, überlegte sie dann und füllte Amras Becher noch einmal mit heißem Wein. »Hier, trink, du zitterst ja immer noch. Das ist der Schrecken, der sitzt dir in den Knochen. Eine Hochzeit, die so blutig endet … darauf … darauf ist ja nun keine vorbereitet. Aber was war das denn für ein Ritter? Kanntest du ihn? Warst du ihm wirklich versprochen?«
    Amra mochte jetzt keine Auskünfte geben, dazu fühlte sie sich zu erschöpft und auch zutiefst besorgt. Was würde mit Magnus geschehen? Eigentlich wurde ein Ritter nicht belangt, wenn er einen anderen in fairem Kampf tötete, und dieser Zweikampf war mehr als ausgeglichen gewesen. Dann jedoch hatte sich Vaclav eingemischt und die Sache mit der Kirchenschändung zur Sprache gebracht. Noch ein Mann aus ihrer Vergangenheit, ihr hatte der Atem gestockt, als sie in seine braungrünen Augen geblickt hatte. Dabei war es so lange her, dass er sie in der Burg von Arkona mit seinen Avancen verfolgt hatte.
    War es ein Zufall, dass Vaclav hier war? Hatte er von ihrer Eheschließung gewusst? Verfolgte er gar einen Zweck damit, Magnus zu beschuldigen? Sie musste all das unbedingt herausfinden, vor allem, was »Kirchenschändung« für einen christlichen Ritter bedeutete. Nach allem, was Amra wusste, wurden Kirchen ständig geschändet, sie hatte am Hof des Löwen oft davon gehört. Die Christen empörten sich stets sehr darüber, wenn wieder eine Kirche von feindlichen Rittern angezündet oder geschleift wurde, wenn man Sklaven darin zusammentrieb und die unverkäuflichen Kinder und Alten gleich umbrachte. Aber im Krieg war das offensichtlich gang und gäbe, sie hatte nie gehört, dass irgendjemand je dafür verantwortlich gemacht worden war. Pribislav und Niklot hatten selbst auf den dänischen Inseln gewütet, und die Dänen hatten es Herzog Heinrich in Pommern heimgezahlt. Wahrscheinlich war kaum einer unter den ritterlichen Hochzeitsgästen, der hier kein Blut an den Händen hatte.
    Amra nahm noch einen Schluck Wein. Er wärmte von innen und tröstete sie, aber sie wusste, dass sie bald damit aufhören musste. Die Nacht würde lang werden, der Bischof begann sicher gleich mit den Totenmessen für Niklot. Und irgendwann musste sie Magnus sehen …
    Nachdem Relana begriffen hatte, was von ihr erwartet wurde, regelte sie die Trauerfeierlichkeiten schnell und mit großer Umsicht. Sie veranlasste, dass der Leichnam von der Dorfkirche in die Burgkapelle umgebettet wurde. Die Ritter begleiteten den toten Fürsten in feierlichem Zug zur Burg. Da es bereits dunkelte, begleiteten auch Fackelträger die Prozession, Amra betrachtete das Schauspiel vom Fenster ihrer Kemenate aus. Im Stillen dankte sie Relana, dass sie ihr die Teilnahme daran ersparte. Um die Totenmessen kam sie dann allerdings nicht herum. Der Bischof hielt die erste, dann übernahm der Burgkaplan. Für Amra war ein Platz in der ersten Reihe der Betpulte frei gehalten worden. Wieder einmal kniete sie in einem dunklen, gespenstisch von Kerzen beleuchteten Gotteshaus und fror durch bis ins Mark.
    In den ersten Stunden der Totenwache war

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