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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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würdelos, eine Dame durfte sich niemals den Weg durch eine Menge erkämpfen, aber sie musste sehen, was draußen vorging! Heribert von Fulda erkannte schließlich ihre aussichtslosen Bemühungen und erhob die Stimme.
    »Macht Platz, Ihr Leute! Platz für Frau Amra! Wenn jemand diesen Kampf beenden kann, dann sie.«
    Der Ritter konnte das nicht wirklich glauben, die Bürger hingegen schienen beeindruckt. Tatsächlich teilte sich die Menge für Amra und den Bischof, der sich in ihrem Gefolge zum Ausgang schob.
    Niklot hatte Magnus eben auf die Plattform vor dem Kircheneingang getrieben. Schwer atmend griff der junge Ritter immer wieder an, obwohl ihm langsam klar wurde, welche selbstmörderische Taktik er da verfolgte. Der Kirchentür hatte er den Rücken zugewandt, er sah nicht, dass Amra darin erschien, gefolgt vom Bischof – und von Vaclav, der die Chance ergriffen hatte, sich mit in die erste Reihe zu drängen.
    Niklot dagegen hörte Heriberts Ruf und sah die junge Frau, die wie eine Erscheinung in die Sonne vor der Kirche trat. Er erkannte ihren entsetzten Blick, den in ihren Zügen tobenden Zwist zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Und er lachte übermütig zu ihr hinauf – felsenfest davon überzeugt, dass es keine Chance für sie gab, ihm zu entkommen.
    Magnus genügte dieser nur einen Herzschlag währende Moment, in dem sein Gegner die Aufmerksamkeit von ihm abzog. Er war schnell, war es immer gewesen, auch wenn er jetzt bereits erschöpft war. Der Ritter legte alle Kraft in einen entscheidenden, gut gezielten Schwertstreich – und Amra und die Menge hinter ihr schrien auf, als das Haupt des Niklot von Mikelenburg von seinem Rumpf getrennt wurde und die Kirchentreppe hinabrollte. Das Grinsen auf seinem Gesicht war dem Erstaunen noch nicht ganz gewichen.
    Magnus ließ das blutige Schwert sinken und wandte sich um.
    »Amra …«, flüsterte er.
    Die junge Frau wollte auf ihn zugehen, aber jetzt schob sich Vaclav von Arkona vor die Kirchentür. »Lasst den Mann festnehmen!«, befahl der junge Slawe. »Herr Pribislav, wo sind Eure Wachen?«
    Fürst Pribislav war gleich hinter Magnus und Niklot aus der Kirche getreten und hatte den Kampf verfolgt. Jetzt starrte er fassungslos auf den Leichnam seines Bruders.
    Magnus kam langsam wieder zu Atem. »Ich habe Euren Bruder im ritterlichen Zweikampf getötet«, wandte er sich an Pribislav. »Das habt Ihr gesehen.«
    Pribislav schien nichts einwenden zu wollen, Vaclav jedoch schüttelte den Kopf. »Hier geht es wohl mehr darum, was der Bischof gesehen hat«, erklärte er. »Eure Exzellenz, ist es nicht so, dass diese Treppe zum Haus Gottes gehört?«
    Der Bischof nickte, er war leichenblass. »Führt den Mann ab«, befahl er dann mit lauter, klingender Stimme. »Magnus von Lund, ich beschuldige Euch der Kirchenschändung.«

Kapitel 5

    A ls Pribislavs Wachleute Magnus ergriffen und in das Verlies der Burg gebracht hatten, fiel die Starre langsam von den Zeugen des Zweikampfes ab. Die Bewohner der Siedlung tauschten sich darüber aus, was wer von dem Kampf gesehen hatte, während die Ritter die Frage der Kirchenschändung diskutierten. Der Bischof kniete neben Niklots Leichnam und murmelte die Worte der Sterbesakramente, Pribislav gab Anweisungen, seinen Bruder in der Kirche aufzubahren. Der Fürst wirkte hölzern und fahrig, er schien immer noch nicht glauben zu können, dass ein Leichtgewicht wie Magnus seinen hünenhaften Bruder hatte fällen können.
    Relana führte die zitternde Amra zu den Frauengemächern, half ihr aus ihrem Hochzeitsstaat und ließ heißen Wein bringen. Dann schien die Situation sie schon wieder zu überfordern.
    »Was … was macht man denn jetzt … also, was macht man bei den Christen, wenn ein Fürst gestorben ist? Der … der Bischof wird ihn einsegnen, ja?«, fragte sie unsicher und errötete, als sie für die Bestattungsfeierlichkeiten das gleiche Wort verwandt, wie vorher für die Besiegelung der Ehe.
    Amra zog einen Schal über das schlichte Gewand aus Wolle, das sie anstelle ihres Festkleides angelegt hatte. Trotz der draußen herrschenden Frühlingswärme hatte sie das Gefühl zu erfrieren. Aber sie kannte sich mit christlichen Begräbnisriten aus, am Hof des Löwen hatte sie etliche Trauerfeiern für gefallene Helden miterlebt. Obwohl ihr eigentlich ganz andere Dinge im Kopf herumgingen, gab sie Relana Antwort.
    »Man bahrt den Toten in der Kirche oder der Burgkapelle auf. Die Burgkapelle wäre besser – wegen all der Totenmessen.

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