Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
in Kenntnis zu setzen und sie gegebenenfalls um die Entsendung eines geistlichen Sachverständigen zu bitten. Ihm selbst war die Sache nicht wichtig genug, um es sich womöglich mit einem der beiden Fürsten zu verwirken. Sollte sich sowohl der dänische als auch der sächsische Kanoniker für Magnus einsetzen, würde er die Klage zurückziehen.
Pribislav grollte ob dieser Entscheidung, rächte sich jedoch, indem er Magnus unter schärfsten Haftbedingungen im Kerker hielt. Am zweiten Tag nach seiner Festnahme standen auch Wachen vor dem Eingang zum Westturm. Vaclav musste die Vermutung geäußert haben, dass Amra ihren Geliebten heimlich aufgesucht hatte. Auch die Besuche von Magnus’ jungen Rittern gedachte der Fürst zu beschränken.
Was Amra anging, so fand sie sich kaum weniger eingesperrt als ihr Geliebter. In den ersten Tagen nach Niklots Tod hatte Pribislav noch mit seinem Schock und seiner Trauer zu kämpfen, aber dann wurde ihm bewusst, dass die junge Frau, die ihm Heinrich da geschickt hatte, möglicherweise eine Mitschuld am Tod seines Bruders trug.
Gleich nach Niklots feierlicher Beisetzung in der neuen Kirche, die der Bischof sehr ergreifend gestaltete, stellte er Amra zur Rede.
Die junge Frau sah keinen Grund dafür, die Wahrheit zurückzuhalten. »Herr Magnus und ich kannten einander. Wir sind an Herzog Heinrichs Hof in Liebe füreinander entbrannt. Aber Ihr wisst, dass ich als Jungfrau auf Eure Burg kam, und ich bin immer noch unberührt, auch dank Eurer Einwirkung auf Euren stürmischen Bruder.«
Pribislav bleckte die Zähne wie ein Raubtier. Es tat ihm jetzt wohl leid, Niklot daran gehindert zu haben, seine junge Frau gleich zu nehmen.
»Ich hatte der Ehe mit Eurem Bruder zugestimmt, und ich war bereit, mein Versprechen zu halten,«, führte Amra weiter aus. »Zwischen Herrn Magnus und mir ist nichts weiter geschehen.«
Pribislav schnaubte. »Ihr hättet Niklot diesen hergelaufenen Ritter also nicht vorgezogen?«, fragte er höhnisch. »Das sah mir in der Kirche anders aus.«
Amra sah den Fürsten geduldig an. »Ich denke, danach wäre ich nie gefragt worden, also muss ich dazu auch nichts sagen. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, mein Fürst. Was ich denke und wünsche, könnt Ihr mir nicht vorwerfen.«
Pribislav wanderte unruhig wie ein gefangenes Tier in Amras Kemenate auf und ab. »Und was soll nun werden, Frau Amra?«, fragte er schließlich. »Wollt Ihr zurück ins Kloster? Oder einen anderen meiner Leute zum Mann nehmen? Es besteht da Begehr vonseiten eines Ritters aus Rujana, wenn man dem Gerede unter den Männern Glauben schenkt.«
Amra biss sich auf die Lippen. »Ich … ich will auf jeden Fall die Verhandlung gegen meinen … gegen Herrn Magnus abwarten, ich …«
»Da haben wir es!« Pribislav blitzte sie an. »Ihr träumt noch immer davon, mit dem Mörder Eures versprochenen Gatten durchzugehen. Aber gut, ich will Euch nicht hindern. Verbleibt in den Frauengemächern, bis Ihr ihn hängen seht. Beim Tod meines Bruders habt Ihr keine Träne vergossen, schauen wir doch mal, ob es diesmal anders sein wird.« Er musterte Amra aufmerksam. »So gern geb ich Euch auch gar nicht her – ihr seid ein hübsches Ding. Vielleicht bleibt Ihr ja als Hofdame bei meiner Gattin.«
Amra biss sich auf die Lippen. »Herzog … Heinrich wird vielleicht auch noch ein Wort darüber mitzusprechen haben«, sagte sie, bemüht, Ruhe zu bewahren. Das Letzte, was sie sich wünschte, war, als Konkubine des Fürsten Pribislav zu enden.
Pribislav lachte. »Der wird sein Geschenk kaum zurücknehmen«, meinte er. »Aber gut, warten wir ab, was wir aus Braunschweig hören. Vorerst werdet Ihr Euch hier Eurer angeblichen Trauer hingeben. Ich gehe davon aus, dass Ihr kein Verlangen danach verspürt, Eure Räume zu verlassen. Die Kirche steht Euch selbstverständlich offen, aber dahin gelangt Ihr ja auch, ohne Euch neugierigen oder lüsternen Blicken auszusetzen. Oder gar in Versuchung zu geraten, den Westturm aufzusuchen und Eure eigenen verbotenen Gelüste zu schüren. Ich werde Euch gelegentlich besuchen, Frau Amra, und Euch über den Stand der Verhandlungen in Kenntnis setzen.«
Damit ging er und beließ Amra in der Obhut seiner Gattin und der wenigen adligen Mädchen, die Relana als Hofdamen dienten, sowie der zahlreichen Dienerinnen. Amra fragte sich, ob Relana von den Überlegungen ihres Gatten, sie als Konkubine zu halten, wusste, aber die Fürstin ließ sie keine Ablehnung spüren. Relana
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