Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
blieb freundlich, war Amra jedoch eine aufmerksame Kerkermeisterin. Ganz sicher würde sie ihr nicht helfen, allein oder gar gemeinsam mit Magnus zu fliehen.
    So gingen Tage und Wochen ins Land, ohne dass die junge Frau etwas von ihrem Geliebten hörte. Es war eine fast unwirkliche Situation – Magnus lag nur wenige Schritte von ihr entfernt im Kerker, aber er wurde niemals erwähnt, es war, als sei er bereits gestorben.
    Amras Leben in Relanas Frauengemächern unterschied sich nicht wesentlich von ihrem Tageslauf in Braunschweig. Natürlich war der Hof kleiner, es gab weniger Zerstreuungen, keine Falkenjagd und keine Bankette. Fürst Pribislav führte einen Hof, in dem Ritter und Frauen weitgehend unter sich blieben. Troubadoure und Dichter zu empfangen verbot er Relana zwar nicht, aber Schöngeister kamen selten in die abgelegene Slawenburg. Die Frauen verbrachten ihre Tage mit Handarbeiten, zu lesen gab es nichts außer der Bibel, und Relana war ganz beglückt, als Amra begann, während der Nähstunden daraus vorzulesen. Höhepunkte des Tages waren die Ritterspiele auf dem Burgplatz. Pribislav hielt seine Männer in Form. Jeden Tag übten sie sich im Tjost und im Schwertkampf auf den Bahnen vor der Burg, und die Frauen konnten von ihren Kemenaten aus zuschauen.
    Vaclav ließ keine Gelegenheit aus, Amra zuzuwinken und zu versuchen, ihr durch besonders gewagte Reitermanöver zu imponieren, obwohl sie ihn beständig nicht beachtete. Sie verbrachte die Zeit damit, besorgt auf den Westturm zu starren, der Gedanke an Magnus ließ ihr keine Ruhe. Amra fand nachts keinen Schlaf, wenn sie an die Kälte im Verlies dachte, und entsagte den deftigen Speisen, die von der Burgküche aufgetischt wurden, weil sie fürchtete, dass Magnus im Kerker darbte. Verzweifelt wartete sie auf ein Zeichen von Heinrich und Waldemar. Sie konnte nicht glauben, dass sie den Tod des jungen Ritters zulassen würden. Vor allem von dem dänischen Monarchen erhoffte Amra sich Hilfe – Magnus war schließlich von königlichem Blut. Aber die beiden Herrscher schienen keine Eile zu haben, in seiner Sache zu entscheiden.
    Amra konnte sich nur damit trösten, dass Magnus immerhin am Leben war.
    »Soweit man das Leben nennen kann …«
    Seit Niklots Tod war mehr als ein Monat vergangen, als Amra auf dem Gang vor dem Wohngemach Relanas unversehens Zeugin des Gesprächs zweier Dienerinnen wurde, die sich wieder einmal mit Relanas Söhnen plagten. Die Jungen hatten sich geweigert, das ihnen zugedachte Nachtmahl zu sich zu nehmen, Milch, Brot und Brei mundeten ihnen nicht. Pribislav hatte sie am Tag zuvor mit in seinen Palas genommen, und nun verlangten sie Fleisch, wie es ihr Vater und seine Ritter aßen. Um dies zu unterstreichen, zerbröselten sie ihr Brot in kleine Stücke, verschütteten die Milch auf den Teppichen ihrer Mutter und schmierten den Brei auf ihre Kleidung.
    »Und derweil verhungert der arme Ritter da in seinem Verlies«, klagte eine der Kammerfrauen, eine ältere, mütterliche Person. »Natürlich hätte er den Herrn Niklot nicht erschlagen dürfen, aber er dauert mich dennoch.«
    Die andere, das sah Amra durch den Türspalt, war eine dralle junge Frau. Sie zuckte die Schultern. »Den Herrn Niklot hätt ich manchmal auch gern erschlagen«, gab sie zu. »Der konnt nicht an mir vorbeigehn, ohne mich zu kneifen oder zotige Reden zu führen. Die Frau Amra tat mir leid, es wär bestimmt kein Vergnügen gewesen, mit dem Fürsten das Lager zu teilen. Und der Ritter dauert mich auch, so armselig wie er da im Kerker liegt. Gestern habe ich ihm was von den Resten für die Schweine gebracht. Aber selbst dabei darf man sich ja nicht erwischen lassen. Es ging nur, weil …«, sie kicherte verschämt, »… Plamen, der Kerkerwächter … der hat ja ein Auge auf mich geworfen.«
    Amra konnte nicht an sich halten. Sie musste mehr erfahren, bevor die junge Dienerin sich weiter in Schwärmereien über den Wachmann erging. Sie betrat das Wohngemach und wandte sich an die jüngere der Frauen.
    »Ist das wahr, Natasa? Du warst im Turm? Du hast den Herrn Magnus gesehen?«
    Die junge Frau fuhr zusammen und errötete zutiefst. Es war Natasa wohl nicht recht, dass Amra ihren Ansichten zu Herrn Niklots Tod gelauscht hatte. Dann aber fasste sie sich und nickte verschwörerisch. Sicher wussten die Dienstboten von Amras Beziehung zu Magnus.
    »Ja, Herrin«, meinte sie dann. »Soweit man etwas sehen kann im Westturm. Bei geschlossener Tür ist das Verlies ja

Weitere Kostenlose Bücher