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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Tempelschatz sollten ausgeliefert werden – der erste und wichtigste Satz des Ultimatums. Zweifellos würde es zu einem Aufschrei im Tempel kommen, und die Priester würden mit Weltuntergang drohen, wenn Vaclav der Forderung nachkäme. Vaclav selbst war ziemlich gelassen. Der junge Ritter machte sich keine großen Gedanken um Svantevit. Wenn der Gott sich nicht selbst verteidigen konnte, ging Rujana mit seinem Standbild nicht viel verloren.
    Anders wäre es mit dem Tempelschatz. Vaclav wusste, dass pfundweise Silber im innersten Bereich des Heiligtums ruhte. Freiwillig würden die Priester das nicht herausgeben, aber die Christen würden es sich zweifellos nehmen. Vaclav seufzte. Auch ihm tat es leid um den Schatz – zudem würde es wieder zu Kämpfen kommen, die er nicht wollte. Aber halt, gab es hier nicht Möglichkeiten, etwas zu retten? König Waldemar konnte nicht wissen, wie viel Silber genau im Tempel lagerte. Wenn die Priester mitspielten, müsste es möglich sein, zumindest einen Teil des Schatzes in Sicherheit zu bringen.
    »Mein Herr?«
    Vaclav fuhr aus seinen Überlegungen, als Amra eintrat. Sie blieb an der Tür stehen und verbeugte sich leicht. Nicht sehr ehrerbietig, aber natürlich machte sie das Tablett mit dem Krug Wein und einem Becher etwas unbeweglich. Ein Becher, registrierte Vaclav. Amra wollte wohl gar nicht erst das Risiko eingehen, zum Mittrinken eingeladen zu werden.
    »Ich bringe Euren Wein.«
    Die junge Frau trat näher und platzierte das Tablett auf einem Tischchen neben dem Thron. Ein zierliches, elegantes Möbel, fein gedrechselt und mit Ornamenten reich verziert. Sicher ein Geschenk von Fernhändlern aus dem Orient.
    Amra trat gleich einen Schritt zurück, nachdem sie den Wein eingeschenkt hatte, und verbeugte sich nochmals. Ihr war anzumerken, dass sie sich am liebsten gleich wieder zum Gehen gewandt hätte, und sie hatte auch erkennbar darauf verzichtet, sich für ihren Dienst beim Burgherrn schön zu machen. Ganz anders als Darja, die keinen Hehl daraus machte, dass sie dem Adligen auch mehr anbieten würde als einen Becher Wein. Darja hatte ihr glänzendes schwarzes Haar offen getragen, ihre Bluse weit geöffnet und ihre Lippen befeuchtet. Amra dagegen hatte ihre roten Locken zu strengen Zöpfen geflochten und aufgesteckt. Die Mühe, ihre Küchenschürze abzunehmen, hatte sie sich nicht gemacht. Dennoch, für Vaclav war sie tausendmal schöner als alle Darjas dieser Burg. Er begehrte sie, und er wusste, wie wohlgeformt ihr Körper unter dem weiten, schlichten Hängekleid war. Die Mägde badeten oft unterhalb der Klippen im Meer, und die jungen Burschen machten sich einen Spaß daraus, sie dabei heimlich zu beobachten. Auch Vaclav hatte sich in den Jahren seines Erwachsenwerdens mitunter angeschlichen – wenngleich das unter der Würde eines Ritters war, wie sein Waffenmeister getadelt hatte, als er Vaclav und zwei andere Knappen einmal dabei erwischte.
    »Ist noch etwas?«, fragte Amra spitz, als er sie weder ansprach noch entließ.
    Vaclav setzte ein Lächeln auf. »Ich grüße dich, Amra«, sagte er so freundlich wie möglich, »an diesem schicksalsschweren Tag. Du hast sicher bereits gehört, dass wir uns den Dänen ergeben werden. Das bedeutet für dich die Freiheit, solange du nicht gleich den nächsten Gott lästerst …«
    Amra zog die Augenbrauen hoch. Sie fand es befremdlich, Götter einfach auszutauschen. Aber sie fürchtete sich auch nicht vor den Konsequenzen irgendwelcher Lästerungen.
    »Wenn hier die Christen herrschen, werden wir beide gleich sein«, sprach Vaclav weiter.
    Amra zuckte die Schultern. »So?«, fragte sie. »Lässt man dem Adel also nicht seine Privilegien? Das habe ich anders gehört. Sofern sich die Stämme ergeben, bleibt der König im Amt. Natürlich ändert sich sein Titel, ein paar Tribute werden fällig. Wie ich das sehe, werdet Ihr weiter ein Edler sein und ich die Tochter eines Fischers.«
    »Aber doch keine Sklavin mehr … Nun komm näher, Amra, sei nicht so spröde!« Vaclav stand auf und hielt ihr auffordernd die Hände entgegen. »Ich möchte dir in die Augen sehen und dein Haar berühren. Ich möchte deine Lippen küssen, deinen Körper liebkosen. Ich wäre sehr gern gleich mit dir, Amra, ich möchte dich erhöhen. Werde meine Gemahlin …«
    Amra zog sich noch weiter zurück. »Ich wäre nicht gern gleich mit Euch, Vaclav von Arkona. Ich mag Euch nicht, so hoch Ihr auch in der Gunst des Königs stehen mögt. Und ich achte Euch auch

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