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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Leidenschaft«, sagte der Ortsvorsteher kurz. »Mein Herr Vaclav, es stehen ernstere Entscheidungen an als die Werbung um eine Frau … Darf man fragen, wie Ihr den Unterhändler des Dänenkönigs beschieden habt?«
    Admir musste das längst wissen, doch Vaclav tat der Form genüge und informierte die Volksvertreter noch einmal über seine Entscheidung, auch bezüglich der Forderung nach Geiseln.
    »Macht euch dann schon mal an die Auswahl der Leute, die wir den Dänen schicken«, beschied er sie kurz, ehe sie Protest einlegen konnten. »Und ruft mir Muris, den Priester. Ich habe auch mit ihm noch ein Wörtchen zu reden.«

Kapitel 6

    I ch will nicht, nein, das kann ich nicht. Vater, das kannst du mir nicht antun!«
    Nadjana, Admirs Tochter, weinte haltlos. Admir hatte ihr eben eröffnet, dass sie zu den Geiseln gehören sollte, die Arkona dem Dänenkönig stellte, und das Mädchen zeigte sich von der Aussicht entsetzt, seine Eltern und womöglich auch die Heimat Rujana verlassen zu müssen. Die Tochter des Dorfvorstehers war sehr behütet aufgewachsen, sie war Admirs und Mladenas einziges Kind. Bisher hatte sie das als ein Privileg empfunden, aber jetzt erwies es sich als Fluch: Admir konnte ihr das Schicksal der Geisel nicht ersparen. Wenn die anderen Honoratioren von Vitt und Puttgarden ihre Söhne und Töchter opfern sollten, musste er mit gutem Beispiel vorangehen. Nur, dass er nicht das stärkste und tapferste unter vielen Geschwistern auswählen konnte, sondern die schüchterne Nadjana schicken musste.
    »Aber es ist sicher gar nicht so schlimm, Nadjana!«, tröstete Amra. Sie hatte die Tragödie mitbekommen, als sie auf dem Weg in die Mägdekammer an der Nische im Küchenhaus vorbeikam, in der Admirs Familie sich eingerichtet hatte. Amra kannte Nadjana aber auch schon von früher. Ihre Familie lebte in der Nähe von Baruchs Hof, und die Mädchen hatten als Kinder zusammen gespielt. »Du wirst ja in kein Verlies gesperrt, im Gegenteil. Ich habe gelesen, Geiseln an Königshäusern würden gut behandelt, fast wie die eigenen Kinder der Regenten. Sicher bekommst du schöne Kleider, und vielleicht lernst du schreiben und lesen, und womöglich heiratest du bald einen Ritter!«
    Nadjana sah ihre Jugendfreundin an, als sei sie nicht recht bei Trost. »Das mag für eine Geisel gelten, die Prinzessin ist«, meinte sie dann bitter, »aber doch nicht für ein Fischermädchen aus Vitt! Die werden uns Geiseln nicht reich kleiden und an Adelshöfe schicken, Amra! Eher werfen sie uns ihren Söldnern zum Fraß vor – die brennen doch darauf, zu morden und zu schänden, und womöglich halten sie sich an uns schadlos für den ausgefallenen Kampf.«
    Nadjana war nicht sehr gebildet, aber klug – und sie wurde seit Langem von einem von Tetzlavs jungen Rittern umworben. Pridbor war von Adel, kam jedoch nicht aus reichem Haus. Er nutzte insofern jede Gelegenheit, mit den Männern König Tetzlavs auf Raubzug nach Dänemark zu gehen und Beute zu machen. Was er Nadjana vom Verhalten der Krieger erzählte, hatte dem Mädchen einen realistischeren Eindruck von Fußvolk und Ritterschaft vermittelt als all die Heldendichtungen, die Amra las.
    Amra wollte davon jedoch nichts hören. »Unsinn!«, erklärte sie im Brustton der Überzeugung. »König Waldemar wird euch schützen. Wie würde das denn aussehen, wenn er König Tetzlav eine friedliche Übernahme seiner Burgen zusichert, aber seine Leute die Geiseln abschlachten?«
    Nadjana rieb sich die Augen. »Der Dänenkönig wird uns vergessen, sobald er uns gezählt hat«, sagte sie voraus und kämpfte schon wieder mit den Tränen. »Und was schert’s König Tetzlav, wenn die feindlichen Krieger einige seiner Fischer und Bauern massakrieren? Aber bitte, Amra: Wenn du den Dänen so vertraust und ganz erpicht darauf bist, dich ihnen auszuliefern – ich trete dir meinen Platz gern ab! Probier doch selbst aus, wie gut König Waldemar es mit uns meint!«
    Dabei vergrub sie den Kopf in den Armen und weinte weiter. Mladena, ihre Mutter, streichelte hilflos über ihr dichtes dunkles Haar.
    Amra dachte angestrengt nach. Bisher hatte niemand daran gedacht, sie als Geisel zu den Dänen zu schicken. Als Halbwaise und Tochter eines einfachen Fischers – Mirnesa hatte ihr erzählt, ihr Vater sei vor ihrer Geburt auf See geblieben –, dazu noch als Leibeigene im Königspalas hatte sie nicht den geringsten Wert. Andererseits, wenn sie so darüber nachdachte … natürlich erwartete die Geiseln ein

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