Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
ungewisses Schicksal. Dass Gefahr für Leib und Leben bestand, glaubte Amra jedoch nicht. Vielleicht geschah auch gar nicht viel, es war gut möglich, dass man die Rujaner einfach inhaftiert ließ, bis die Friedensverträge geschlossen waren, und sie danach wieder freisetzte. Wahrscheinlicher war allerdings, dass König Waldemar die Geiseln behielt, bis sich die Ranen auf Rujana zu dem neuen Glauben bekannt hatten, den er ihnen aufzwingen wollte. Und darüber konnten Jahre vergehen, schließlich mussten Priester auf die Insel gebracht werden, Kirchen gebaut, Menschen überzeugt und getauft werden.
    König Waldemar würde abziehen – und sicher die Geiseln mitnehmen. Amra dachte an das Leben am Königshof von Dänemark, an dem es sicher viel aufregender zuging als in Tetzlavs provinzieller Hofhaltung. Wenn sie wirklich an Nadjanas Stelle trat, würde sie demnächst vielleicht dänischen Prinzessinnen aufwarten statt sarazenischen Konkubinen. Sie würde etwas von der Welt sehen – und außerdem würde sie Magnus nicht wieder aus den Augen verlieren. Sie nahm an, dass auch er an Waldemars Hof lebte. In Amra erwachte die Lust am Abenteuer. Allerdings …
    »Vaclav würde es nicht erlauben«, bemerkte sie mit leisem Bedauern. »Er wird doch kontrollieren, wer die Burg verlässt, und es merken, wenn ich an deiner Stelle gehe.«
    Nadjana hob den Kopf und sah sie verständnislos an. »Du … du willst …? Du würdest …? Du ziehst das ernsthaft in Erwägung?« In ihren schönen dunklen Augen erwachte fast etwas wie Hoffnung.
    Amra zuckte die Schultern. »Warum nicht? Mich hält hier nichts, ich habe keinen Pridbor …« Sie lächelte Nadjana ein bisschen verschwörerisch zu. Neben der Furcht vor Tod und Vergewaltigung war sicher auch die Liebe zu dem jungen Ritter ein Grund dafür, dass Nadjana sich so verzweifelt gegen ihr Schicksal auflehnte. »Nur, wie gesagt … Vaclav würde es verhindern …« Amra sah keine Möglichkeit, an dem jungen ranischen Ritter vorbeizukommen.
    Nun aber regte sich Mladena, Nadjanas Mutter. Admirs Frau hatte bislang lautlos weinend bei ihrer Tochter gesessen. Sie hatte ihrem Gatten nicht widersprochen, auch sie kannte die Zwänge, die auf ihm lasteten. Aber wenn sich Amra unbedingt an Nadjanas Stelle opfern wollte …
    »Fürst Vaclav wurde seit heute Mittag nicht mehr gesehen«, bemerkte sie. »Er sprach mit dem Oberpriester, sie blieben lange Zeit gemeinsam im Tempel. Und dann gegen Abend ging er zu den Klippen. Bozika sagte, er habe einen Sack dabei gehabt, die Götter wissen, was darin sein könnte. Jedenfalls ist er bislang nicht wieder aufgetaucht, also ist er wahrscheinlich die Klippen hinuntergeklettert. Vielleicht ist er geflohen, vielleicht kommt er wieder. Aber zurzeit ist er fort. Wenn du die Geiseln also bald zu den Dänen schickst, Admir … dann könnten die Mädchen die Kleider tauschen und …«
    Admir schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich, Mladena, Nadjana … wie sähe denn das aus? All die anderen Volksvertreter schicken ihre Kinder, aber ich tausche meine Tochter aus gegen eine Küchensklavin, die sich nicht wehren kann?«
    »Die anderen müssen das gar nicht wissen«, sagte Amra. Der Gedanke an eine Flucht vor Vaclav beflügelte sie jetzt. Nie wieder seinen Nachstellungen ausgesetzt sein, keine Drohungen mehr und ganz sicher keine Heirat! Die letzte Begegnung mit Vaclav hatte ihr Angst eingejagt. Bei den Dänen – bei Magnus – würde sie sich sicherer fühlen. »Und ihr müsst auch nichts gewusst haben, Admir und Mladena. Wir haben das einfach unter uns beschlossen, Nadjana und ich.«
    Amra betrachtete prüfend Nadjanas Figur und ihre Kleider. Doch, sie hatten etwa die gleiche Größe und Statur. Wenn sie nur ihr rotes Haar unter Nadjanas Schleier versteckte, würde niemand etwas merken.
    »Aber Nadjana wird noch hier sein«, gab Admir zu bedenken. »Spätestens morgen weiß jeder auf der Burg, dass sie geblieben ist – und egal, was sie erzählt, ich werde niemandem von der Volksversammlung mehr in die Augen sehen können.«
    Mladena blitzte ihren Mann an und musterte dann ihre Tochter mit einem Ausdruck von Trauer, jedoch auch Entschlossenheit.
    »Nadjana wird ebenfalls gehen müssen«, sagte sie dann hart. »Daran geht kein Weg vorbei. Aber bevor ich sie den Dänen ausliefere, schicke ich sie lieber aufs Festland. Dieser Ritter, Nadjana, dein Pridbor, der immer wieder davon spricht, dich zu ehelichen, wenn er denn mal Haus und Hof habe, liebt er dich

Weitere Kostenlose Bücher