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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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nicht deswegen. Ich weiß sehr wohl, wie Ihr Euch Eure Stellung erworben habt!«
    Amra hätte Vaclav den Verrat an ihr vielleicht vergeben können. Sie waren beide noch Kinder gewesen, und der Junge mochte gar nicht gewusst haben, was er damit anrichtete, dass er das Mädchen verriet. Seitdem lebte Amra sechs Jahre am Hof und hatte so manche weitere Intrige mitbekommen, die Vaclav von Arkona spann, um sich in den Mittelpunkt zu rücken. Ob das ein unfairer Kampf beim Turnier war, ein Verrat kleiner Verfehlungen anderer Knappen – auch schon mal eine Bestechung: Vaclav wusste sich das Orakel der Priester zunutze zu machen, wenn es Posten zu besetzen oder Entscheidungen zu treffen galt. Er schien stets zu ahnen, mit welchem Huf der Hengst des Gottes die Speere übertreten würde, und stand dann gleich bereit, dem König bei der Ausführung der Orakelbeschlüsse dienlich zu sein. Dabei hätte er all das gar nicht nötig. Vaclav war schließlich von Adel, und auch wenn er sich an die Regeln hielt, ein starker Kämpfer und ein kluger Kopf. Aber er konnte es nicht lassen, Ränke zu schmieden.
    Baruch von Stralow hatte gelacht, als Amra diese Überlegungen irgendwann vor ihm ausbreitet hatte.
    »Es gibt solche Menschen«, kommentierte der Kaufmann belustigt Amras Scharfsinn. »Wobei man sie meist eher unter Kaufleuten als in der Ritterschaft vermutet, wahrscheinlich sind sie überall vertreten. Sie lügen nicht aus Not, sie tun es … nun, sie tun es so selbstverständlich, wie die Kraniche im Winter gen Süden ziehen oder Mücken das Licht umtanzen. Sie betrügen wie unsereins atmet, Amra. Und man hält sich am besten von ihnen fern, denn sie ändern sich nie, so oft sie es auch beteuern. Wir sollten jedoch nicht so abfällig über Herrn Vaclav sprechen. Sicher irrst du dich, und in Wahrheit ist er ein Ritter ohne Furcht und Tadel, seinem Gott und seinem König in allen Ehren zugewandt.«
    Dabei hatte der Kaufmann noch breiter gelächelt, und Amra hatte gewusst, dass Herr Baruch Vaclav durchschaute. Er hatte ihr auch niemals zugeredet, dem Werben des jungen Adligen nachzugeben, wie ihre Mutter und ihre Freundinnen das taten. Mirnesa wäre entzückt gewesen, ihre Tochter an den Königshof zu verheiraten, Baruch hatte zu ihren Lobpreisungen des Ritters immer geschwiegen.
    Jetzt allerdings schwante Amra, dass sie Vaclav zu viel ins Gesicht gesagt hatte. Sie duckte sich, als erwarte sie einen Schlag, aber der Ritter lachte sie nur aus.
    »Meine Schönste, du brauchst mich nicht zu achten. Du brauchst mich nicht mal zu lieben. Denn das ist das Beste, wenn man in der Gunst des Königs steht: Er gewährt gern, worum man ihn bittet. Glaubst du wirklich, du wirst gefragt, wenn ich dich ernsthaft will, kleine Amra?«
    Urplötzlich wechselte Vaclavs entspanntes Lachen zu einem brutalen Ausdruck, seine Augen wurden hart. Amra wollte ausweichen, doch er griff blitzschnell nach ihr, seine Finger schlossen sich um ihren Arm und zogen sie mit einer raschen, zornigen Bewegung an sich heran.
    »Ich könnte dich auch haben, ohne dich zur Frau zu nehmen«, zischte er ihr zu. »Aber ich mag es nun mal, Wildkatzen zu zähmen …«
    Vaclavs linke Hand legte sich in Amras Nacken, er zwang sie dazu, ihn anzusehen und hielt ihren Kopf fest, als er sich jetzt herabbeugte, um sie zu küssen. Amra versuchte zu beißen und mit dem Kopf zu schlagen, als seine Zunge ihre Lippen auseinanderzwang und sich zu einem brutalen Kuss in ihren Mund schob, gab sie jedoch nach. Bisher hatte Vaclav ihr nie dieses Gesicht gezeigt, und dieser neue Vaclav machte ihr Angst. Wer wusste, was er tun würde, wenn sie sich ernsthaft wehrte? Er war allein mit ihr, er konnte …
    »Ihr habt uns rufen lassen, Herr?«
    Vaclav ließ Amra los, als er die Stimme Admirs an der Tür hörte. Der Ortsvorsteher blickte gebannt auf die Szene, die sich ihm bot, ebenso wie einige andere Volksvertreter in seiner Begleitung.
    Amra errötete zutiefst. Doch sie war auch erleichtert.
    Vaclav schien zunächst etwas verwirrt, fand dann aber seine Würde wieder. »Ihr … ihr stört ein kleines Zusammensein mit meiner künftigen Gattin …«, entschuldigte er sich, während Amra in Richtung der Männer floh. »Ein … sehr leidenschaftliches …«
    Vaclavs Lächeln war wieder da, und Amra sah zu ihrem Erschrecken, dass einige der Männer es sogar verschwörerisch erwiderten. Admir blieb jedoch ernst. Er musste gesehen haben, dass Amra sich gewehrt hatte.
    »Dies ist nicht gerade die Zeit für

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